OLG Frankfurt a. M.: Gesellschafterpflicht zur Erfindungsandienung


GRUR-Prax 2017, 286

Macht der Gesellschafter, der wie ein Geschäftsführer in die Leitung der Gesellschaft eingebunden ist, […] eine Erfindung, kann für ihn nach den Gesamtumständen die Pflicht bestehen, diese Erfindung der Gesellschaft (entschädigungslos) anzudienen […]. (Leitsatz 1 des Gerichts, durch den Verfasser gekürzt)

OLG Frankfurt a.?M., Urteil vom 13.4.2017 – 6 U 69/16 (LG Frankfurt a.?M.), BeckRS 2017, 109764; rkr.

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Sachverhalt

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Einwilligung in die Übertragung und Umschreibung mehrerer Gebrauchsmuster und die Abtretung der Ansprüche auf Erteilung europäischer Patente. Der Beklagte ist Gesellschafter der Klägerin und wie ein Geschäftsführer in die Leitung des Unternehmens eingebunden, insbesondere traf er strategische Entscheidungen über die Ausrichtung des Betriebs und ist zur Hälfte an den Unternehmensgewinnen beteiligt. Die von ihm getätigten Erfindungen hat der Beklagte auf seinen Namen angemeldet. Das LG Frankfurt a.?M. verurteilte den Beklagten antragsgemäß, der Beklagte legte hiergegen Berufung ein.

Entscheidung

Das OLG Frankfurt a.?M. weist die Berufung zurück. Der Beklagte sei gemäß § 280 I BGB in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag verpflichtet, die Schutzrechte auf die Klägerin zu übertragen. Zwar enthalte der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen über die Behandlung von Erfindungen der Gesellschafter, allerdings lasse sich aus einer ergänzenden Auslegung des Gesellschaftsvertrages eine Andienungspflicht herleiten.

Bei Organmitgliedern werde eine Andienungspflicht aus dem Anstellungsvertrag abgeleitet, wenn das Gesellschaftsorgan vertragsgemäß im Bereich der technischen Entwicklung tätig sei und für die Erfindung auf sachliche und personelle Mittel, Vorarbeiten und Erfahrungen des Unternehmens zurückgreifen könne. Diese Grundsätze seien auch auf die Erfindungen von Gesellschaftern übertragbar, wenn diese in ähnlicher Weise wie ein Geschäftsführer oder Vorstand in die Leitung des Unternehmens eingebunden seien. Dies sei hier der Fall, da der Beklagte im internen Verhältnis ebenso wie gegenüber den Vertragspartnern der Klägerin wie ein Geschäftsführer aufgetreten sei.Entsprechend der Grundsätze für Organmitglieder könne bei Fehlen einer Andienungspflicht im Gesellschaftsvertrag zwar nicht ausnahmslos von einer Pflicht zur Übertragung des Schutzrechts ausgegangen werden, eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände rechtfertige aber die Feststellung einer Andienungspflicht als hypothetischen Parteiwillen, wenn insbesondere die Leitungsfunktion des Gesellschafters auch den technischen Bereich betreffe, die Erfindung dem Geschäftsgegenstand der Gesellschaft zuzuordnen sei und die Erfindung überwiegend auf Mitteln, Erfahrungen und Vorarbeiten des Unternehmens beruhe.

Dementsprechend sei hier eine Andienungspflicht in ergänzender Auslegung des Gesellschaftsvertrags festzustellen. Eine Erfindervergütung schulde die Klägerin nicht, da der Beklagte aufgrund seiner herausgehobenen Stellung im Unternehmen verpflichtet gewesen sei, der Klägerin seine Erfindung unentgeltlich anzudienen.

Praxishinweis

Nach dem OLG Frankfurt sind die Grundsätze zur Zuordnung von Organerfindungen, die von der Rechtsprechung für den Fall einer fehlenden ausdrücklichen Abrede entwickelt wurden, auf Gesellschafter übertragbar, wenn diese in ähnlicher Weise wie ein Geschäftsführer oder Vorstand in die Leitung des Unternehmens eingebunden sind. Entscheidend ist, ob der Gesellschafter intern und extern wie ein Geschäftsführer auftritt. Hierfür sprechen zB eine eigenbestimmte Arbeitszeitgestaltung, die fehlende Weisungsgebundenheit oder eine Leitungsbefugnis hinsichtlich der kaufmännischen und technischen Entwicklung.

Für die Zuordnung von Gesellschaftererfindungen sind – entsprechend den Grundsätzen für Organmitglieder – die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Bedeutsam können die folgenden Kriterien sein: Die Funktion des Gesellschafters, insbesondere seine technische Verantwortung; das Beruhen der Erfindung auf Mitteln, Erfahrungen und Vorarbeiten des Unternehmens; die Zuordnung der Erfindung zum Unternehmensgegenstand; die Entstehung der Erfindung aufgrund einer (gemeinsamen) Entwicklungstätigkeit im Unternehmen.

Für die Frage des Vergütungsanspruchs dem Grunde nach können die von der Rechtsprechung für Organmitglieder hierfür entwickelten Grundsätze ebenfalls herangezogen werden: Fehlen Anhaltspunkte für einen (stillschweigenden) Vergütungsanspruch ist eine ergänzende Auslegung der Gesellschaftsvertrags nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmen. Von Bedeutung sind auch hier zB der Aufgabenkreis und die Stellung des Gesellschafters sowie der Erfindungsgegenstand (vgl. zu Organmitgliedern Bartenbach/Volz, KommArbEG, § 1 Rn. 75.3?ff.).

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Dr. Andreas Witt, LL.M.

 

Autor: Dr. Andreas Witt, LL.M.
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