Kündigungsfrist für Geschäftsführerdienstverträge
BAG, Urteil vom 11.06.2020 – 2 AZR 374/19
Mit einem Grundsatzurteil schafft das BAG neue Unklarheit bei der Frage, welche gesetzlichen Kündigungsfristen für Geschäftsführerdienstverträge gelten. Der BGH hatte in älteren Entscheidungen angenommen, auf Dienstverträge von Fremdgeschäftsführern seien nicht die nach § 621 BGB bei Dienstverhältnissen geltenden Kündigungsfristen anwendbar, sondern die für Arbeitsverhältnisse maßgeblichen längeren Fristen des § 622 BGB. Dieser Auffassung hatten sich sowohl die instanzgerichtliche Rechtsprechung als auch die herrschende Meinung in der Literatur angeschlossen. Mit seinem aktuellen Urteil hat das BAG konträr entschieden. Für Geschäftsführerdienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, gelten nicht die gesetzlichen (Arbeitnehmer-)Kündigungsfristen aus § 622 BGB, sondern die kürzeren Fristen des § 621 BGB.
I. Sachverhalt
Die Klägerin war auf der Grundlage eines schriftlichen Anstellungsvertrags seit 2009 Geschäftsführerin einer in der Rechtsform der GmbH betriebenen Rehaklinik. Ihr im Anstellungsvertrag vereinbartes Jahresgrundentgelt betrug 100.000 € brutto und war in zwölf monatlichen Raten zu zahlen. Zusammen mit drei weiteren Geschäftsführern verfasste die Klägerin einen Brief an den Aufsichtsrat des Vereins, dessen Tochtergesellschaft die Beklagte ist, und warf dem Vereinsvorstand Untätigkeit und Unfähigkeit vor. Nachdem die Klägerin zunächst abgemahnt und ihr die Einzelvertretungsbefugnis entzogen worden war, beschloss die Gesellschafterversammlung am 28.02.2018 die ordentliche Kündigung des Dienstvertrags der Klägerin und ihre Abberufung als Geschäftsführerin zum 01.03.2018. Mit einem der Klägerin am 28.02.2018 übergebenen Schreiben kündigte die Beklagte das Anstellungsverhältnis ordentlich zum 31.05.2018. Die Klägerin hat beantragt festzustellen, dass ihr Anstellungsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 28.02.2018 mit Ablauf des 31.05.2018 beendet wird sowie hilfsweise, dass ihr „Arbeitsverhältnis“ erst mit Ablauf des 31.08.2018 geendet habe.
II. Entscheidung
Das BAG hat zunächst klargestellt, dass die Kündigung aufgrund der negativen Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keiner sozialen Rechtfertigung bedurfte, da die Klägerin im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch Organ der Beklagten war.
Das BAG bestätigt sodann den Grundsatz, dass der Gesellschaft auch gegenüber einem Geschäftsführer als freiem Dienstnehmer ein unternehmerisches Weisungsrecht zusteht und eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie auf einen Status als Arbeitnehmer schließen lässt, allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Von einem Arbeitsverhältnis sei nur auszuKündigungsfrist für Geschäftsführerdienstverträge gehen, wenn die Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer eine – über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende – Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände der Leistungserbringung hat. Die Entziehung der Einzelvertretungsbefugnis reiche hierfür nicht aus.
Da der Anstellungsvertrag der Geschäftsführerin somit kein Arbeitsverhältnis gewesen sei, habe die Kündigung vom 28.02.2018 das Anstellungsverhältnis der Klägerin mit der in § 621 Nr. 4 BGB bestimmten Frist von sechs Wochen zum Schluss des Kalendervierteljahrs zum 30.06.2018 beendet.
§ 622 BGB sei – seinem Wortlaut entsprechend – nur auf die Kündigung von Arbeitsverhältnissen anzuwenden. Wegen der für freie Dienstverhältnisse bestehenden Regelung in § 621 BGB fehle es an einer ausfüllungsbedürftigen planwidrigen Regelungslücke, die eine analoge Anwendung von § 622 BGB auf die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags zuließe.
Die Kündigungserklärung der Beklagten hat danach das Anstellungsverhältnis der Klägerin mit der Frist des § 621 Nr. 4 BGB zum 30.06.2018 beendet. Für Dienstverhältnisse, in denen – wie im vorliegenden Fall – die Vergütung nach Vierteljahren oder längeren Zeitabschnitten bemessen ist, beträgt die Kündigungsfrist nach § 621 Nr. 4 BGB sechs Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahrs. Im Rahmen dieser Norm spielt die Dauer des Vertragsverhältnisses keine Rolle, sondern nur der Zeitabschnitt, für den die Vergütung bemessen ist, unabhängig von Auszahlungsmodus und Fälligkeit.
III. Praxishinweise
Das Urteil des BAG gibt Geschäftsführern und ihren Beratern Anlass, der Gestaltung der Kündigungsregelung in Geschäftsführerdienstverträgen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wenn Geschäftsführer schon keinen wirksamen Kündigungsschutz durch vertragliche lange Kündigungsfristen durchsetzen können, sollten sie eine bloße Verweisung auf die gesetzlichen Kündigungsfristen im Anstellungsvertrag auf jeden Fall vermeiden. Die erfolgreiche Beschreitung des
Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen, die durch die Darlegung eines sic-non-Falls möglich wird, erweist sich sonst als Pyrrhussieg: Zwar ist die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten erreicht, im Gegensatz zur BGH-Rechtsprechung wenden die Arbeitsgerichte nun aber bei Geschäftsführern, die weder Mehrheitsgesellschafter noch ausnahmsweise Arbeitnehmer sind, die kurzen Kündigungsfristen des § 621 BGB an. Ist im Dienstvertrag die Vergütung nach Monaten bemessen, beendet eine bis zum 15. eines Monats zugegangene Kündigung das Dienstverhältnis schon am Monatsende.
Die Entscheidung wirft außerdem nun auch im Zusammenhang mit der Bestimmung der maßgeblichen Kündigungsfrist die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen Geschäftsführerdienstverträge – ausnahmsweise – als Arbeitsverträge einzuordnen sind. Klare Kriterien, wann das weite gesellschaftsrechtliche „unternehmerische“ Weisungsrecht als ein die Umstände der Leistungserbringung bestimmendes arbeitsbegleitendes und verfahrensorientiertes Weisungsrecht anzusehen ist, das den Anstellungsvertrag zum Arbeitsverhältnis macht, fehlen bislang. Es bleibt abzuwarten, wie BAG und BGH diese Abgrenzungsfrage beantworten werden.
Autor: | Dr. Rolf Stagat |
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