Sozialversicherungsrechtlicher Status eines Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers bei schuldrechtlich vereinbarter Weisungsfreiheit


(GWR 2018, 319)

 

1. Als schuldrechtliche und satzungsdurchbrechende Nebenabrede ist eine Regelung im Gesellschafter-Geschäftsführer-Vertrag unwirksam, die eine Weisungsfreiheit des Geschäftsführers vorsieht.
2. Eine dem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH in einem Anstellungsvertrag mit der GmbH außerhalb des Gesellschaftsvertrags eingeräumte Weisungsfreiheit rechtfertigt ebenso wenig die Annahme seines sozialversicherungsrechtlichen Status als Selbstständiger wie ein nur vertraglich eingeräumtes Veto-Recht gegen mehrheitlich gefasste Beschlüsse der Gesellschafterversammlung. Selbst im Falle gesellschaftsrechtlicher Unbedenklichkeit wäre die nur schuldrechtlich vereinbarte Weisungsfreiheit zumindest außerordentlich kündbar (mit Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 11. November 2015, BSG Aktenzeichen B12KR1014R B 12 KR 10/14 R). (Leitsätze des Gerichts)
LSG Berlin-Brandenburg, 9. Senat, Urteil vom 16.11.2017 – L 9 KR 369/16 (KreisG Frankfurt (Oder), BeckRS 2017, BECKRS Jahr 140220

Sachverhalt

Die Klägerin focht die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers an, der den Geschäftsführer der GmbH als abhängig Beschäftigten im Sinne von § SGB_IV § 7 SGB_IV § 7 Absatz I SGB IV einstufte und deshalb die Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen verlangte. Der Geschäftsführer hielt 25?% der GmbH Anteile, der Gesellschaftsvertrag der GmbH sah für Beschlüsse der Gesellschaft eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen vor und Regelungen zu einer Sperrminorität waren nicht getroffen. Der Gesellschafter-Geschäftsführer-Vertrag enthielt folgende Regelung: „Die Gesellschafter verzichten auf ihr Recht, dem Geschäftsführer Weisungen zu erteilen und sich in die laufende Geschäftsführung einzuschalten.“ An bestimmte Dienstzeiten war der Geschäftsführer nach seinem Anstellungsvertrag nicht gebunden, er hatte Anspruch auf Urlaub in üblichem Umfang und übte neben seinem Geschäftsführeramt andere selbstständige Tätigkeiten aus. Die beklagte Rentenversicherung Bund verlangte Nachentrichtung der Beiträge, weil der Geschäftsführer nur über 25?% der Geschäftsanteile verfügte und daher keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft gehabt habe. Die klagende Gesellschaft war dagegen der Auffassung, der Beigeladene habe die Geschäftsführung aufgrund der getroffenen vertraglichen Regelungen und der allein bei ihm vorhandenen Branchenkenntnisse faktisch wie ein Eigentümer ausgeübt.

Entscheidung

Die Berufung der Klägerin gegen die klageabweisende Entscheidung des Sozialgerichts blieb ohne Erfolg. Auch das Landessozialgericht ging von einer abhängigen Beschäftigung des Geschäftsführers aus. Entscheidend hierfür war die Minderheitsbeteiligung des Geschäftsführers, die ihm nicht die Rechtsmacht einräume, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Gesellschafter-Geschäftsführer-Vertrag, wonach die Gesellschafter auf ihr Recht verzichteten, dem Geschäftsführer Weisungen zu erteilen und sich in die laufende Geschäftsführung einzuschalten. Als bloße schuldrechtliche Nebenabrede sei diese Vereinbarung unwirksam. Selbst im Falle der gesellschaftsrechtlichen Unbedenklichkeit wäre die nur schuldrechtlich vereinbarte Weisungsfreiheit zumindest außerordentlich kündbar. Eine dem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer im Anstellungsvertrag außerhalb des Gesellschaftsvertrags eingeräumte Weisungsfreiheit rechtfertige daher nicht die Annahme seines sozialversicherungsrechtlichen Status als Selbstständiger.

Praxishinweis

Die Entscheidung folgt der vom Bundessozialgericht in seinen Novemberurteilen des Jahres 2015 vorgegebenen neuen Linie. Danach sind gesellschaftsrechtliche Gestaltungen ohne strikte „Parallelwertung“ allein im sozialversicherungsrechtlichen Kontext zu beurteilen. Selbst bei gesellschaftsrechtlich zulässigen Regelungen entscheiden die Sozialgerichte eigenständig, ob sie für die Statusentscheidung sozialversicherungsrechtlich bedeutsam sind. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist dabei das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände. Nicht statutarisch verankerte Regelungen wie der nur im Anstellungsvertrag geregelte Verzicht auf die Ausschließung des Weisungsrechts oder ein nur schuldrechtlich vereinbartes Vetorecht finden nach diesem Maßstab keine Berücksichtigung, weil sie im Gegensatz zur beurkundungspflichtigen Satzungsänderung durch bloße Kündigung beseitigt werden können. Nur im Gesellschaftsvertrag abgesicherte Rechte des Geschäftsführers können daher noch seine Rechtsmacht begründen, unliebsame Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern und damit der Sozialversicherungspflicht zu entgehen.

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