Zur Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte für Klagen von Fremdgeschäftsführern


(Der Betrieb 2019, 1136-1137)

In seinem Beschluss vom 21. 01. 2019 (9 AZB 23/18) befasst sich das BAG mit dem alten und zugleich ewig jungen Streit um die Rechtswegzuständigkeit für Klagen von GmbH-Geschäftsführern. Neben den Anforderungen an die hinreichende Darlegung eines Arbeitsverhältnisses als Grundlage der Organstellung und den Voraussetzungen eines sic non-Falles behandelt der Beschluss insbesondere die Frage, ob für Fremdgeschäftsführer der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist, weil sie als arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Ar-bGG anzusehen sind.

I. Sachverhalt

Die Klägerin war ab 01.11.2016 als Geschäftsführerin für die Beklagte GmbH tätig, die Krankenhäuser betreibt. Nach den Regelungen ihres Dienstvertrages hatte sie ihre volle Arbeitskraft den ihr übertragenen Aufgaben zu widmen, den Gesellschaftsvertrag und die dazu erlassenen Dienstanweisungen sowie die Geschäftsordnung für die Geschäftsführung zu beachten, sie war der Gesellschafterversammlung auskunfts- und berichtspflichtig und hatte die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahrzunehmen. Die Geschäftsführerin unterlag außerdem einem Wettbewerbsverbot und die Übernahme einer Nebentätigkeit bedurfte der schriftlichen Einwilligung der Gesellschafterversammlung. Sie hatte jährlich 30 Tage Urlaub, ein Jahresgehalt von EUR 175.000 zuzüglich variabler Vergütung in Höhe von EUR 20.000 und war schwerbehindert. Nachdem die Geschäftsführerin den Dienstvertrag am 11.07.2017 ordentlich mit Wirkung zum 31.12.2018 gekündigt hatte, erfolgte am 31.07.2017 eine fristlose Kündigung des Dienstvertrages durch die Gesellschaft und die gleichzeitige Abberufung als Geschäftsführerin. Mit ihrer Klage wandte sich die Geschäftsführerin gegen die fristlose Kündigung und hielt den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für eröffnet, weil sie aufgrund der bis ins Detail gehenden Arbeitsanweisungen der Gesellschaft Arbeitnehmerin sei. Jedenfalls sei der Rechtsweg zum Arbeitsgericht eröffnet, weil ihre Stellung der einer arbeitnehmerähnlichen Person entspreche.

II. Entscheidung

  • Die Frage des Zugangs zu den Gerichten für Arbeitssachen und der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der nationalen Gerichte fällt nicht in den Anwendungsbe-reich des Unionsrechts. Für die Bestimmung des Rechtswegs ist deshalb vom allgemeinen nationalen und nicht von einem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff auszugehen. Dem Dienstverpflichteten wird hierdurch ein ggf. unionsrechtlich vermittelter Schutz nicht entzogen. Dieser ist unabhängig davon zu beachten, ob der Rechtsstreit vor den Gerichten für Arbeitssachen oder den ordentlichen Gerichten geführt wird.
  • Der (Fremd-)Geschäftsführer einer GmbH wird für diese in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Von einem Arbeitsverhältnis ist nur auszugehen, wenn die Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer eine – über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende – Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände hat, unter denen dieser seine Leistung zu erbringen hat, und die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen bestimmen kann.
  • Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG eröffnet. Arbeitnehmerähnliche Personen gelten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG als Arbeitnehmer. Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH ist keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person. Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbstständige, die von ihrem Vertragspartner wirtschaftlich abhängig und nach ihrer gesamten sozialen Stellung einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sind. Soziale Schutzbedürftigkeit ist anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls und der Verkehrsanschauung das Maß der Abhängigkeit einen solchen Grad erreicht, wie er im Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind.

III. Praxishinweise

Regelmäßig versuchen GmbH-Geschäftsführer zur Vermeidung der Zahlung von Gerichtskostenvorschüssen und in Erwartung einer arbeitnehmerfreundlichen Einstellung des Gerichts Rechte nicht vor dem Landgericht, sondern dem Arbeitsgericht durchzusetzen. Die EuGH-Rechtsprechung fördert diesen Trend, indem sie Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer einstuft. Dem Versuch, GmbH-Geschäftsführern über den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff den Zugang zu den Arbeitsgerichten zu eröffnen, hat das BAG jedoch eine Absage erteilt und klargestellt, dass § 5 ArbGG keine unionsrechtliche Bestimmung zugrunde liegt und für die Bestimmung des Rechtswegs deshalb vom nationalen Arbeitnehmerbegriff auszugehen ist. Davon ausgehend müssen Geschäftsführer zur Begründung der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts darlegen, dass sie nicht nur gesellschaftsrechtlichen Weisungen unterliegen, sondern die Gesellschafter auch in die Art und Weise der Ausübung der operativen Geschäftsleitung eingreifen. Die bloße Rechtsansicht, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, genügt demgegenüber nur in sog. sic non- Fällen. Mit dem Argument, wenn ihr Anstellungsverhältnis auch nicht als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei, so sei das Arbeitsgericht aber zuständig, weil ihre Stellung der einer arbeitnehmerähnlichen Person entspreche, hatte die Klägerin nur in den Vorinstanzen Erfolg. Für das BAG ist die mit dem Geschäftsführeramt verbundene Rechtsstellung als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft, der Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, mit der sozialen Schutzbedürftigkeit eines Arbeitnehmers unvereinbar. Auch der Umweg über § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG führt für GmbH-Geschäftsführer also nicht zum Arbeitsgericht.

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Dr. Rolf Stagat

 

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