Unternehmen und Einrichtungen sehen sich seit Jahren einer immer übergriffiger werdenden Rechtsprechung der Sozialgerichte und Prüfungspraxis der Deutsche Rentenversicherung Bund ausgesetzt. Seit den November – Urteilen des Bundessozialgerichts und dem Ende der „Kopf und Seele“– Rechtsprechung werden nicht nur Gesellschafter und Geschäftsführer im eigenen Unternehmen von der Rechtsprechung als weisungsabhängige Beschäftigte betrachtet und mit hohen Beitragsnachforderungen überzogen. Die Bestrebungen von Gerichten und Sozialversicherungsträgern, das prekäre Rentenversicherungssystem durch extensive Auslegung des Begriffs der Beschäftigung finanziell zu stützen, haben viele Bereiche der Gesellschaft erreicht. Auch Handwerksbetriebe, die Subunternehmer beauftragen, machen ungewollt Bekanntschaft mit den Rentenversicherungsträgern.

Existenzbedrohend wirken sich sozialgerichtliche Rechtsprechung und Betriebsprüfungen der Deutsche Rentenversicherung Bund inzwischen auf das gesamte Gebiet von Lehre und Fortbildung aus. Lehrkräfte und Dozenten, die ihre Tätigkeit für Bildungseinrichtungen jahrzehntelang freiberuflich erbracht haben, werden als angeblich abhängig Beschäftigte in die gesetzliche Sozialversicherung gezwungen. Infolge des sog. „Herrenberg-Urteils“ des Bundessozialgerichtes (BSG, Az. B 12 R 3/20 R) vom 28. Juni 2022 [https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Entscheidungen/2022/2022_06_28_B_12_R_03_20_R.pdf?__blob=publicationFile&v=2]
sehen sich Bildungseinrichtungen und andere Verwaltungseinheiten hohen Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen ausgesetzt und selbständige Lehrkräfte und Honorarbeschäftigte im Kulturbereich stehen nicht mehr zur Verfügung, weil Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer Verträge entstanden sind.

In ihrer Existenz bedroht sehen sich insbesondere Volkshochschulen, die im Rahmen von Integrationskursen Deutschunterricht für Migranten durchführen. Müssen die Volkshochschulen für ihre freiberuflichen Lehrkräfte Sozialversicherungsbeiträge abführen – und für die vergangenen vier Jahre Rückstellungen bilden – kann dies zur bilanziellen Überschuldung führen mit der Folge, dass Insolvenz angemeldet werden muss. Verbände und Politik haben erkannt, dass die Gerichte überdreht haben. Das gesamte System der Flüchtlingsintegration steht auf der Kippe.

Auf massives Drängen von Verbänden hat die Politik reagiert. Der Gesetzgeber greift durch eine Gesetzesänderung zum Erwerbsstatus von Lehrkräften ein. Durch eine Neuregelung in § 127 SGB IV wird eine „fingierte Freiberuflichkeit“ eingeführt.

In seiner Sitzung am 30.01.2025 hat der Bundestag das „Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung weiterer Vorschriften“ beschlossen, das am 14.02.2025 im Bundesrat ratifiziert werden soll. Teil dieses Gesetzes ist eine bis 31.12.2026 geltende Übergangsregelung zum Status von Lehrkräften. Nach § 127 SGB IV wird bei Lehrkräften, die auf der Grundlage von Honorarverträgen an Bildungseinrichtungen tätig sind, eine selbstständige Tätigkeit fingiert, und zwar auch dann, wenn bei einer Statusprüfung eine abhängige Beschäftigung festgestellt wird.

Voraussetzung ist, dass

  1. die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen sind und
  1. die Person, die die Lehrtätigkeit ausübt, zustimmt.

https://dserver.bundestag.de/btd/20/147/2014744.pdf

Das bedeutet, dass freiberufliche Lehrkräfte jedenfalls bis 31.12.2026 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein können und die Träger der Bildungseinrichtungen ungeachtet ihrer Rechtsform keine Sozialversicherungsbeiträge für sie abführen müssen.

Welche Anforderungen muss die Zustimmungserklärung der Lehrperson erfüllen?

Die erforderliche Zustimmung könnte möglicherweise schon darin gesehen werden, dass die Lehrkraft beim Abschluss des Vertrages mit der Bildungseinrichtung über einen Lehrauftrag für einen bestimmten Kurs einen Vertrag unterzeichnet hat, der als „Vertrag über freie Mitarbeit“ bezeichnet war. Aus der Tatsache, dass die Lehrperson damit gerade nicht einen Arbeitsvertrag oder einen Vertrag über eine abhängige Beschäftigung abschließen wollte, sondern einen Vertrag über freie Mitarbeit, könne also gefolgert werden, dass hierin bereits die nicht ausdrückliche, aber sinngemäße und durch die entsprechende Praktizierung des Vertragsverhältnisses zum Ausdruck gekommene – also konkludente – Zustimmung liegt, dass für das Vertragsverhältnis keine Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund einer Beschäftigung eintritt.

Dagegen sprechen meines Erachtens allerdings folgende Gesichtspunkte:

  • Nach dem Wortlaut von § 127 Abs. 1 Satz 2 SGB IV tritt bis zum 31. Dezember 2026 keine Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund einer Beschäftigung ein, sofern

    die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sind und die Person, die die Lehrtätigkeit ausübt, gegenüber dem Vertragspartner zustimmt,…

    127 Abs. 1 Satz 2 SGB IV hat somit zwei Tatbestandsvoraussetzungen. Zum einen müssen die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sein. Dies kann daraus geschlossen werden, dass die Parteien eben keinen Arbeitsvertrag oder Vertrag über eine abhängige Beschäftigung, sondern einen Vertrag über eine freie Mitarbeit bzw. die Übernahme einer Lehrtätigkeit als freier Dozent abgeschlossen haben. Das Vorliegen dieses übereinstimmenden Verständnisses der Vertragsparteien ist zeitlich auf den Abschluss des Vertrages, also auf die Vergangenheit bezogen. Sofern mit der Honorarkraft ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen wurde, ist das erste Tatbestandsmerkmal von § 127 Abs. 1 Satz 2 SGB IV m.E. erfüllt.

  • Als zweites Tatbestandsmerkmal verlangt § 127 Abs. 1 Satz 2 SGB IV kumulativ, dass die Lehrperson gegenüber dem Vertragspartner zustimmt, dass bis zum 31. Dezember 2026 keine Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund einer Beschäftigung eintritt. Dieses Erfordernis der Zustimmung ist nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die sozialversicherungsrechtliche Behandlung des Vertrages bezogen. Diese Entscheidung kann die Lehrperson aber erst treffen, wenn sie die rechtliche Grundlage für diese Entscheidung kennt. Diese rechtliche Grundlage wird erst mit dem Inkrafttreten von § 127 Abs. 1 Satz 2 SGB IV geschaffen.

    Im Ergebnis muss man deshalb davon ausgehen, dass die „fingierte Freiberuflichkeit“ für die Dozenten rechtssicher nur geschaffen werden kann, wenn die Lehrpersonen eine aktuelle Zustimmungserklärung abgeben, die sich ausdrücklich auf die Regelung in § 127 Abs. 1 Satz 2 SGB IV bezieht.

    Klärungsbedürftig ist des Weiteren, wie die Zustimmung der Lehrpersonen inhaltlich und formal beschaffen sein muss. Insoweit sind folgende Aspekte zu beachten:

    1.)
    § 127 Abs. 1 Satz 2 SGB IV verlangt nach seinem Wortlaut keine bestimmte Form der Zustimmung. Für den Status der fingierten Freiberuflichkeit wird lediglich verlangt, dass die Person, die die Lehrtätigkeit ausübt, gegenüber dem Versicherungspartner „zustimmt.“ Somit würde an sich auch eine mündliche Zustimmung ausreichen. Jedoch muss die Bildungseinrichtung, um Beitragsnachforderungen zu entgehen, im Rahmen der Betriebsprüfung oder einzelner Statusfeststellungsverfahren belegen können, dass die Erteilung der Zustimmung als Tatbestandsmerkmal des § 127 SGB IV vorliegt. Schon um der eigenen Darlegungslast nachkommen zu können, sollte die Zustimmung in schriftlicher Form eingeholt werden.

    2.)
    Inhaltlich erfordert der Tatbestand des § 127 SGB IV, dass die Person, die die Lehrtätigkeit ausübt, gegenüber dem Vertragspartner zustimmt, dass bis zum 31. Dezember 2026 keine Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund einer Beschäftigung eintritt. Die neue gesetzliche Regelung dürfte so zu verstehen und auszulegen sein, dass die Person, die die Lehrtätigkeit ausübt, sich bei ihrer Zustimmungserklärung darüber im Klaren sein muss, wozu sie die Zustimmung erteilt. Hierzu gehört, dass der Lehrperson klar ist, dass ihre Dozententätigkeit – möglicherweise – von der DR Bund als abhängige Beschäftigung angesehen wird, die Tätigkeit im Falle ihrer Zustimmung aber rechtssicher nicht als abhängige Beschäftigung behandelt wird. Deshalb wird in der Zustimmungserklärung klar zum Ausdruck kommen müssen, dass der Lehrperson diese Ausgangssituation bekannt ist und sie in Kenntnis dieser Situation ihre Zustimmung dazu erteilt, dass ihre Dozententätigkeit bis zum 31. Dezember 2026 nicht der Versicherungs- und Beitragspflicht unterworfen wird.

    3.)
    Es könnte darüber hinaus die Frage aufgeworfen werden, ob der Lehrperson auch bewusst sein muss, dass sie im Falle einer selbstständigen Dozententätigkeit, wenn also keine abhängige Beschäftigung angenommen wird, nach § 2 Nr. 1 SGB VI als Selbstständige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bezahlen muss. Sollte in die schriftliche Zustimmungserklärung der Lehrperson vorsorglich der Hinweis aufzunehmen, dass die Lehrkraft im Falle ihrer Zustimmung dazu, dass bis 31. Dezember 2026 keine Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund einer Beschäftigung eintritt, als Selbstständige der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unterliegt?

    Nähme man einen solchen – warnenden – Hinweis in die Zustimmungserklärung auf, so könnte dies viele Dozenten davon abhalten, die Zustimmungserklärung abzugeben, da sie in der Regel wohl keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen wollen, die sie aus ihrem Dozentenhonorar abführen müssten. Taktisch und von der Zweckerreichung her gesehen ist ein solcher Hinweis daher nicht empfehlenswert.

    Er dürfte aus folgenden Gründen auch rechtlich nicht erforderlich sein:

  • Das Gesetz verlangt einen Hinweis auf die Rentenversicherungspflicht von Selbstständigen nicht. Nach 127 SGB IV muss die Lehrperson ihre Zustimmung lediglich dazu erteilen, dass bis zum 31. Dezember 2026 keine Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund einer Beschäftigung eintritt. Weder wird eine Zustimmung auch dazu verlangt, infolge fehlender Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung Beiträge als Selbstständiger in die Rentenversicherung einzuzahlen noch formuliert das Gesetz Informationspflichten gegenüber der Lehrperson hinsichtlich ihrer Versicherungspflicht als selbstständiger Lehrkraft.
  • Informationspflichten über mögliche nachteilige Folgen rechtlicher Entscheidungen tragen zwar Arbeitgeber gegenüber ihren Arbeitnehmern. Die rechtliche Grundlage hierfür ist das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis, dass eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers begründet. Eine solche Fürsorgepflicht besteht nicht zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern außerhalb eines Arbeitsverhältnisses. Zwischen der Bildungseinrichtung und den Dozenten besteht kein Arbeitsverhältnis. Es besteht lediglich das Risiko eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis ist aber kein Arbeitsverhältnis. Deshalb besteht auch keine rechtliche Verpflichtung der Volkshochschule, die Honorarkräfte vor Abgabe ihrer Zustimmung gemäß § 127 SGB IV darauf hinzuweisen, dass dies mit einer Beitragspflicht für Selbstständige einhergehen kann.
  • Schließlich ist es auch systemwidrig, von einem Vertragspartner außerhalb von Arbeitsverhältnissen verlangen zu wollen, die andere Partei über gesetzliche Beitragspflichten informieren zu müssen, welchen die andere Partei als selbstständiger Wirtschaftsteilnehmer aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit unterworfen ist.

    Das Risiko, dass die DR Bund im Rahmen späterer Betriebsprüfungen die Zustimmung von Lehrkräften nach § 127 SGB IV nicht anerkennen könnte, weil eine Belehrung über das Bestehen und die rechtlichen Folgen von § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht nachgewiesen werden kann, dürfte im Ergebnis äußerst gering und vernachlässigbar sein.