Worum geht es?
Das Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelBG) verpflichtet GmbHs mit mehr als 500 und weniger als 2.000 Arbeitnehmern, einen Aufsichtsrat einzurichten und ein Drittel der Aufsichtsratssitze mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen. Insbesondere inhabergeführte mittelständische Unternehmen – aber auch ausländische Obergesellschaften – tun sich mit der gesetzlich vorgeschriebenen drittelparitätischen Mitbestimmung schwer. Müssen Unternehmen, die bislang nicht über einen Betriebsrat verfügen, Aufsichtsratswahlen nach der Wahlordnung zum Drittelbeteiligungsgesetz durchführen, so lässt sich kaum vermeiden, dass sich in diesem Zuge auch ein Betriebsrat konstituiert. So verwundert es nicht, dass viele mitbestimmungspflichtige Unternehmen dieser Pflicht nicht nachkommen.
Indirekte Sanktion – Praxis des Bundesamts für Justiz
Da das Drittelbeteiligungsgesetz keine Sanktionen bei Verstößen vorsieht, blieb die Missachtung der Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats lange Zeit folgenlos. Dies änderte sich nach Inkrafttreten des Gesetzes über elektronische Handelsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG), durch das die Verpflichtung eingeführt wurde, sämtliche offenlegungspflichtigen Daten über ein Unternehmen zentral elektronisch zur Verfügung zu stellen. Kapitalgesellschaften müssen danach den Jahresabschluss gem. § 325 Abs. 1 HGB beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers elektronisch einreichen. Bestandteil der zu veröffentlichenden Jahresabschlussunterlagen ist bei Kapitalgesellschaften mit Aufsichtsräten auch der Bericht des Aufsichtsrats (§ 325 Abs. 1 S. 3 HGB). Hat eine Gesellschaft – obwohl nach dem Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmungspflichtig – keinen Aufsichtsrat gebildet, so kann sie auch keinen Bericht des Aufsichtsrats einreichen. Bei fehlendem Bericht des Aufsichtsrats in den elektronisch eingereichten Jahresabschlussunterlagen einer zur drittelparitätischen Mitbestimmung verpflichteten GmbH hat das Bundesamt für Justiz regelmäßig Ordnungsgelder verhängt und dadurch eine indirekte Sanktion über die Ordnungsgeldvorschrift des § 335 HGB geschaffen.
Klage einer betroffenen GmbH vor dem LG Bonn
Eine vor dem Landgericht Bonn dagegen klagende GmbH hatte geltend gemacht, dass sie von der Pflicht zur Veröffentlichung des Berichts des Aufsichtsrats nicht erfasst sei, denn ein Aufsichtsratsbericht sei nur dann zu erstellen und offenzulegen, wenn tatsächlich ein Aufsichtsrat existiere. Das Landgericht Bonn folgte dem nicht und argumentierte, es sei unerheblich, ob die der Pflicht zur Einreichung des Berichts des Aufsichtsrats vorausgehende Pflicht zur Bildung eins Aufsichtsrats unabhängig von den Ordnungsgeldvorschriften des HGB sanktioniert werde.
Entscheidung des BVerfG
Der dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 09.01.2014 (1 BvR 229/13) stattgegeben, weil das Landgericht Bonn bei seiner Auslegung der Ordnungsgeldvorschrift des § 335 HGB das grundgesetzliche Bestimmtheitsgebot missachtet habe. Die Auslegung des Landgerichts führe zu einer unzulässigen Ausweitung des in § 335 HGB normierten Ordnungsgeldtatbestands. Nach der Auslegung durch das Landgericht Bonn ziele das Ordnungsgeld im Ergebnis auf die Durchsetzung einer § 335 HGB vorgelagerten Maßnahme, nämlich der Verpflichtung zur Bildung eines Aufsichtsrates nach § 1 DrittelBG, für die es jedoch ein eigenes gesetzliches Regime gebe. Verstoße eine Kapitalgesellschaft gegen ihre Pflicht, einen Aufsichtsrat zu bilden, dürfe gegen sie nicht deswegen ein Ordnungsgeld verhängt werden, weil sie auf Grund des fehlenden Aufsichtsratsberichts ihre Pflicht zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses verletzt hat.
Folgen für die Praxis
Mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bleibt das Unterlassen der Bildung eines Aufsichtsrats entgegen den ausdrücklichen Vorgaben des Drittelbeteiligungsgesetzes im Ergebnis sanktionslos. Der durch die Praxis des Bundesamts für Justiz entstandenen mittelbaren Sanktionierung des Verstoßes gegen die Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats ist damit der Boden entzogen. GmbHs, die mehr als 500 Arbeitnehmer haben, gleichwohl jedoch keinen drittelparitätisch besetzten Aufsichtsrat bilden wollen, müssen also nicht mehr befürchten, durch die „Hintertür“ der Verhängung von Ordnungsgeldern wegen des fehlenden Berichts des Aufsichtsrats in den Jahresabschlussunterlagen zur Durchführung von Aufsichtsratswahlen gezwungen zu werden.
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