[ Beitrag von Dr. Rolf Stagat ]
Wie stelle ich als Arbeitgeber ein Kündigungsschreiben rechtssicher zu? Diese Frage stellen sich Arbeitgeber, wenn sie eine Kündigung aussprechen wollen, die dem Arbeitnehmer kurzfristig zugestellt werden soll. Persönliche Übergabe im Betrieb, Übergabe-Einschreiben, Einwurf in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers oder Einwurf-Einschreiben?
Die Tücken, die bei einer Zustellung der Kündigung durch Einwurf-Einschreiben bestehen, macht ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts deutlich. Quintessenz der Entscheidung: Der Sendungsstatus ist kein Ersatz für den Auslieferungsbeleg. Diese Erfahrung musste ein Arbeitgeber machen, der seiner Arbeitnehmerin die Kündigung per Einwurf-Einschreiben zugestellt hatte. Die rechtliche Lehre hieraus lautet:
Einwurf-Einschreiben – Kein Anscheinsbeweis für tatsächlichen Zugang
Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis zunächst mit Schreiben vom 14.03.2022, dagegen erhob die Arbeitnehmerin am 18.03.2022 Kündigungsschutzklage. Der beklagte Arbeitgeber wies darauf hin, dass er das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.07.2022 ein weiteres Mal gekündigt habe. Die Klägerin hat den Zugang des Kündigungsschreibens bestritten. Eine Mitarbeiterin des Arbeitgebers habe den Umschlag zur Post gebracht und als Einwurf-Einschreiben aufgegeben. Ausweislich des Sendestatus sei das Schreiben am 28.7. zugestellt worden.
BAG, Urteil vom 30.01.2025 – 2 AZR 68/24
Das Bundesarbeitsgericht ist der Ansicht, dass der Arbeitgeber für den Zugang der Kündigung beweisfällig geblieben ist. Er habe nämlich für den Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten der Klägerin keinen Beweis angeboten. Es bestehe auch kein Anscheinsbeweis zugunsten des Arbeitgebers, der vorgelegte Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens aus dem neben dem Datum und der Uhrzeit der Einlieferung sowie die Sendenummer ersichtlich sei, genüge zusammen mit einem von der Beklagten im Internet abgefragten Sendestatus nicht für den Beweis des ersten Anscheins, dass das Schreiben der Klägerin auch tatsächlich zugegangen ist.
Das Bundesarbeitsgericht hat deshalb entschieden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 26. Juli 2022 aufgelöst wurde, da die Beklagte den Zugang der Kündigung nicht beweisen konnte. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für den Zugang des Kündigungsschreibens, konnte jedoch keinen Beweis für den Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten der Klägerin anbieten. Ein Anscheinsbeweis zugunsten der Beklagten besteht nicht, da der Einlieferungsbeleg und der Sendungsstatus keinen ausreichenden Beweis für den Zugang darstellen. Es fehlen Angaben über die Person des Zustellers und weitere Einzelheiten der Zustellung. Der Sendungsstatus bietet keine ausreichende Gewähr für den Zugang und lässt nicht erkennen, an wen die Zustellung erfolgt sein soll. Die Beklagte konnte keinen Auslieferungsbeleg vorlegen, der einen Anscheinsbeweis begründen könnte.
Jedenfalls genügt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts der vorgelegte Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens, aus dem neben dem Datum und der Uhrzeit der Einlieferung die jeweilige Postfiliale und die Sendungsnummer ersichtlich sind, zusammen mit dem Sendungsstatus („Die Sendung wurde am 28.07.2022 zugestellt.“) nicht für einen Beweis des ersten Anscheins, dass das Schreiben der Klägerin tatsächlich zugegangen ist.
Praxistipp:
Soll eine Kündigung kurz vor Monatsende bzw. vor Überschreitung eines Zeitpunktes, der eine Verschiebung des Laufs der Kündigungsfrist nach hinten mit sich bringt, ausgesprochen werden, sollte sichergestellt werden, dass die Kündigung sofort zugeht. Die persönliche Übergabe im Betrieb vor Zeugen ist häufig nicht möglich, da der zu kündigende Arbeitnehmer im Betrieb nicht anwesend ist. Ein Übergabe-Einschreiben geht nicht im Zeitpunkt der Zustellung durch den Briefträger zu, wenn der Arbeitnehmer nicht zu Hause ist oder die Tür nicht eröffnet. In diesem Fall wirft der Briefträger nur eine Benachrichtigung ein, der Zugang erfolgt erst, wenn der Arbeitnehmer das Einschreiben bei der Post abgeholt hat. Das Einwurf-Einschreiben erbringt Beweis für die Zustellung schließlich nur, wenn nicht nur der Einlieferungsbeleg vorgelegt werden kann, sondern auch die Reproduktion des Auslieferungsbelegs. Die Deutsche Post AG speichert die Kopien des Auslieferungsbelegs für die Dauer von 15 Monaten. Innerhalb dieser Frist sollte die Kopie des Auslieferungbelegs unbedingt angefordert werden.
Vor dem Einwurf des Einwurf-Einschreibens wird vom Briefträger das sog. „Peel-off-Label“ (Abziehetikett), das zur Identifizierung der Sendung dient, abgezogen und auf einen vorbereiteten, auf die eingeworfene Sendung bezogenen Auslieferungsbeleg aufgeklebt. Auf diesem Beleg bestätigt der Postangestellte nach dem Einwurf mit seiner Unterschrift und der Datumsangabe die Zustellung. Bei Einhaltung dieses Verfahrens ist nach der Rechtsprechung in der Regel der Schluss gerechtfertigt, dass die eingelieferte Sendung tatsächlich in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist. Bei verbleibenden Zweifeln am Zustellungsvorgang kann der Zusteller der Post im Kündigungsschutzprozess als Zeuge benannt werden und die Zustellung persönlich bestätigen.
Ratschlag an alle Arbeitgeber:
Müssen Fristen gewahrt werden, sollten Kündigungen nicht per Einwurf-Einschreiben oder Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden. Wenn die Kündigung nicht am Arbeitsplatz unter Zeugen übergeben werden kann, sollte sie per Boten zugestellt werden. Ist das nicht möglich, so sollte bei einer Zustellung per Einwurf-Einschreiben auf jeden Fall bei der Post die Reproduktion des Auslieferungsbelegs angefordert werden.