[ Beitrag von Dr. Rolf Stagat ]
Bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen trifft Arbeitsrecht auf Gesellschaftsrecht. Dann stellt sich die Abgrenzungsfrage, welches Recht anwendbar ist. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Streitigkeiten über Aktionärsvereinbarungen nicht vor das Arbeitsgericht gehören. Das gilt selbst dann, wenn sie Bestandteil eines vom Arbeitgeber aufgelegten Mitarbeiteraktienprogramms sind. Ansprüche aus Aktionärsvereinbarungen müssen Arbeitnehmer deshalb vor den Zivilgerichten austragen.
Hierzu im Einzelnen:
Viele Unternehmen setzen Mitarbeiteraktienprogramme ein, um Fachkräfte zu binden und am Unternehmenserfolg zu beteiligen. Doch was passiert, wenn es beim Ausscheiden aus dem Unternehmen zu Meinungsverschiedenheiten über Regelungen des Mitarbeiterprogramms kommt? etwa Rückkaufklauseln oder Aktionärsvereinbarungen – später Streit auslösen?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im August 2025 eine wegweisende Entscheidung getroffen, die die Zuständigkeit der Gerichte in solchen Fällen behandelt und für Klarheit sorgt.
Um was ging es?
Ein langjähriger Arbeitnehmer einer Aktiengesellschaft hatte im Rahmen eines betrieblichen Aktienprogramms knapp 31.000 Aktien seines Arbeitgebers erworben. Zusätzlich war er – wie auch sämtliche anderen Arbeitnehmer, die sich an dem Aktienprogramm beteiligten, einer Aktionärsvereinbarung beigetreten. Diese regelte, dass der Arbeitnehmer beim Ausscheiden aus dem Unternehmen einen Teil seiner Aktien zurückgeben muss und die Gesellschaft Optionsrechte zum Rückerwerb von bis zu zwei Dritteln der Aktien erhält.
Nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer übte die Arbeitgeberin dieses Rückkaufsrecht aus. Der Arbeitnehmer Mitarbeiter hielt die Aktionärsvereinbarung jedoch für unwirksam und klagte vor dem Arbeitsgericht. Mit seiner Klage beantragte er den Arbeitgeber zu verurteilen, eine ihm erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen sowie festzustellen, dass verschiedene Regelungen der zwischen den Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber abgeschlossenen Aktionärsvereinbarung unwirksam sind. Außerdem verlangte er die Übertragung von Aktien und Zahlung von EUR 199.098,80.
Wie hat das Gericht entschieden?
Das Gericht hat nicht in der Sache entschieden, sondern kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger seine Rechte aus der Aktionärsvereinbarung mit seinem Arbeitgeber nicht vor dem Arbeitsgericht geltend machen kann. Obwohl der Aktienerwerb über das Mitarbeiteraktienprogramm ermöglicht wurde, stellte das BAG klar, dass Streitigkeiten über Aktionärsvereinbarungen nicht von der Arbeitsgerichtsbarkeit zu entscheiden sind. Damit stellte sich das Gericht gegen die Vorinstanzen, die den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten noch bejaht hatten.
Nach Auffassung des BAG betreffen Ansprüche aus einer Aktionärsvereinbarung ausschließlich die Rechtsstellung des Mitarbeiters als Aktionär – nicht seine Stellung als Arbeitnehmer. Der Beitritt zur Aktionärsvereinbarung sei eine eigenständige privatrechtliche Entscheidung, die losgelöst vom Arbeitsverhältnis getroffen wurde. Auch wenn der Erwerb der Aktien durch das Arbeitsverhältnis ermöglicht wurde, sei dies kein Grund, jeden späteren Streit zu einem arbeitsrechtlichen zu machen. Dass die Rückkaufoption an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpft, ändere nichts, denn die Rechtsgrundlage für Rückkaufrechte sei allein die Aktionärsvereinbarung, nicht der Arbeitsvertrag. Der Zusammenhang zwischen beiden sei daher nur wirtschaftlicher Natur, nicht rechtlich.
Bedeutung für Arbeitnehmer:
Das Bundesarbeitsgericht räumt bei Klagen von Arbeitnehmern aus Aktionärsvereinbarungen dem Gesellschaftsrecht den Vorrang vor dem Arbeitsrecht ein. Der Beitritt zur Aktionärsvereinbarung ist eine eigenständige privatrechtliche Entscheidung, die losgelöst vom Arbeitsverhältnis getroffen wird. Auch wenn der Erwerb der Aktien durch das Arbeitsverhältnis ermöglicht wurde, sei dies kein Grund, jeden späteren Streit zu einem arbeitsrechtlichen zu machen. Auch die Tatsache, dass der Kläger parallel arbeitsrechtliche Anträge stellte (wie auf Entfernung einer Abmahnung), führt nicht zu einer gemeinsamen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Die Lebenssachverhalte sind nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts völlig unterschiedlich und deshalb getrennt zu behandeln.
Wer über ein Mitarbeiteraktienprogramm Aktien erwirbt, wird vollwertiger Aktionär. Streitigkeiten über diese Aktien gehören nicht vor das Arbeitsgericht. Klagen über Rückkaufklauseln, Aktionärsvereinbarungen oder Übertragungsverpflichtungen müssen vor dem Zivilgericht erhoben werden.
