4. Juni 2024: Ein Beitrag zum Wettbewerbsregister, seiner Bedeutung für Unternehmen, die sich an der Vergabe öffentlicher Aufträge beteiligen möchten sowie der Möglichkeit der Selbstreinigung – von Dr. Nicolas Doubleday

 

Der Fall:

Der Geschäftsführer eines Bauunternehmens führt für eine Reihe seiner Mitarbeiter Sozialversicherungsbeiträge nicht ab, weil er fälschlich davon ausgeht, dass diese selbstständig erwerbstätig sind. Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.

 

Die Problemstellung:

Kommt unser Unternehmer mit dem Gesetz in Konflikt, steht für ihn zunächst die Klärung seiner strafrechtlichen Verantwortung im Vordergrund. Häufig aber wird dabei übersehen, dass die weiteren außerstrafrechtlichen Folgen einer Verurteilung weitreichendere Folgen haben als die Verurteilung selbst. Dies ist der Fall, wenn sein Unternehmen aufgrund seiner Verurteilung ins Wettbewerbsregister eingetragen wird und sich deswegen nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen kann.

 

Der Beitrag:

Er skizziert die Voraussetzungen und Folgen der Eintragung von Unternehmen im sog. Wettbewerbsregister. Es werden Möglichkeiten aufzeigt, durch eine vorausschauende Verteidigung die Voraussetzungen zu schaffen, die oftmals nicht zu vermeidende Eintragung im Wettbewerbsregister durch eine sog. Selbstreinigung frühzeitig wieder zu beseitigen. Für Unternehmen, die auf eine Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen nicht verzichten können, kann dies existenzentscheidend sein.

Zunächst noch eine Vorbemerkung: Nach § 21 SchwarzArbG soll ein Ausschluss von öffentlichen Aufträgen u.a. dann erfolgen, wenn sich ein Vertretungsberechtigter eines Unternehmens nach § 266 a Absatz 1- 4 StGB strafbar gemacht hat und zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen verurteilt wurde oder wenn vor Durchführung eines Strafverfahrens kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass eine schwerwiegende Verfehlung vorliegt. Der Ausschluss erfolgt bis zu einer Dauer von drei Jahren. Um diese Regelung soll es nachfolgend nicht gehen, auf sie ist aber der Vollständigkeit halber hinzuweisen.

I.

Was ist das Wettbewerbsregister und wozu dient es?

Das Wettbewerbsregister ist ein Unternehmensregister in Form einer bundesweiten elektronischen Datenbank. Es dient dem Schutz des Wettbewerbs um öffentliche Aufträge und Konzessionen. Das Wettbewerbsregister wird beim Bundeskartellamt (Registerbehörde) geführt. In das Register eingetragen werden Unternehmen, deren Verantwortliche sich im Rahmen ihrer Tätigkeit für das Unternehmen strafbar gemacht haben und gegen die eine rechtskräftige Sanktionsentscheidung vorliegt. Ziel des Unternehmensregisters ist es damit, unzuverlässige Unternehmen von der Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen auszuschließen und es Auftraggebern zu ermöglichen, die Eignung von Unternehmen, sich an einer Ausschreibung beteiligen zu können, schnell und einfach zu ermitteln.

Das Wettbewerbsregister wurde durch das Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) am 29.07.2017 eingeführt.

II.

Voraussetzung und Folgen der Eintragung im Wettbewerbsregister

Seit 01.06.2022 sind Auftraggeber gemäß § 6 WRegG ab einem Auftragswert von 30.000 € verpflichtet, das Wettbewerbsregister daraufhin abzufragen, ob der Bieter von dem Vergabeverfahren auszuschließen ist, weil Ausschlussgründe gemäß den §§ 123 und 124 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorliegen, § 6 Abs. 5 WRegG.

In § 123 GWB werden die zwingenden Ausschlussgründe für die Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung genannt, so wenn dem Unternehmen bestimmte Wirtschaftsdelikte zuzurechnen sind, insbesondere Bestechung, Bildung krimineller Vereinigungen, Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche, Betrug und Subventionsbetrug zu Lasten öffentlicher Haushalte, Steuerhinterziehung, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, Verstöße gegen bestimmte arbeitsrechtliche Vorschriften sowie Kartellabsprachen.

In § 124 GWB werden fakultative Ausschlussgründe genannt, so wenn gegen geltende umwelt-, sozial-, oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen wurde, das Unternehmen insolvenzantragspflichtig ist oder schon Insolvenzantrag gestellt hat oder so schwere Verfehlungen begangen hat, die an seiner Integrität zweifeln lassen.

Eine Eintragung im Wettbewerbsregister führt damit nicht immer automatisch zu einem Ausschluss des Unternehmens von dem Vergabeverfahren. Zwingend ist dies nur in den Fällen des § 123 GWB. Ob ein Unternehmen von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren in Fällen des § 124 GWB ausgeschlossen wird, entscheidet der Auftraggeber eigenverantwortlich nach Maßgabe der vergaberechtlichen Vorschriften, insbesondere im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Man wird aber davon ausgehen müssen, dass die Eintragung den Auftraggeber regelmäßig angesichts der bestehenden Alternativen am Markt von einer Vergabe abhalten wird.

In das Wettbewerbsregister eingetragen wird das Unternehmen. Voraussetzung für die Eintragung ist das Vorliegen einer rechtskräftigen Sanktionsentscheidung (strafgerichtliche Verurteilung, Strafbefehl oder Bußgeldentscheidung) gegen einen Verantwortlichen des Unternehmens. Teilweise muss die verhängte Sanktion zudem eine gewisse Bagatellschwelle überschreiten. Da das deutsche Strafrecht keine Unternehmensverantwortlichkeit kennt, werden ihm die strafrechtlichen Verfehlungen der vertretungsberechtigten Organe zugerechnet. Das ist der Fall, wenn die natürliche Person als für die Leitung des Unternehmens Verantwortliche gehandelt hat, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört. Wer im Sinne des Wettbewerbsregisters als „leitender Angestellter“ gilt, ist gesetzlich nicht geregelt. An dieser Stelle kann und muss also „aktiv verteidigt“ werden. Die Praxis zeigt, dass Staatsanwaltschaften bei der Bestimmung des Leitungsorgans großzügig zum Nachteil des Unternehmens verfahren.

Das betroffene Unternehmen wird über die geplante Eintragung unterrichtet. Es kann zu der beabsichtigten Eintragung Stellung nehmen. Weist das Unternehmen nach, dass die übermittelten Daten fehlerhaft sind, korrigiert die Registerbehörde die Daten bzw. sieht von einer Eintragung ab. Im Wettbewerbsregister eingetragene Unternehmen beziehungsweise solche, die von einer geplanten Eintragung betroffen sind, können über einen bevollmächtigten Rechtsanwalt unbeschränkte Akteneinsicht nehmen.

Ein Unternehmen beziehungsweise eine natürliche Person kann bei der Registerbehörde einen Antrag auf Auskunft über den sie betreffenden Inhalt des Wettbewerbsregisters stellen (vgl. § 5 Abs. 2 WRegG; innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr grundsätzlich aber nur einmal).

Die Frist zur Löschung einer Eintragung und der Fristbeginn sind abhängig von dem der Eintragung zu Grunde liegenden Fehlverhalten (§ 7 WRegG). Die Frist beträgt zwischen fünf Jahren für Delikte, die einen zwingenden Ausschlussgrund darstellen, und drei Jahre für Delikte, die Gegenstand eines fakultativen Ausschlussgrunds sein können.

Liegen mehrere Eintragungen wegen desselben Fehlverhaltens vor und gelten dieselben Löschungsvoraussetzungen und -fristen, so werden nach Fristablauf all diese Eintragungen gelöscht. Bei unterschiedlichen Fristen ist die längere Frist für die Löschung aller Eintragungen zu demselben Fehlverhalten maßgeblich.

Die Eintragung kann auch nicht durch vorauseilende Maßnahmen, wie eine Selbstreinigung verhindert werden. Voraussetzung für die Eintragung im Wettbewerbsregister ist grundsätzlich nur, dass eine eintragungspflichtige Verurteilung oder Bußgeldentscheidung vorliegt. Öffentliche Auftraggeber sollen hierüber schnellstmöglich informiert werden können. Ein Antrag auf Selbstreinigung zögert diese Eintragung nicht hinaus. Erst wenn über den Selbstreinigungsantrag positiv entschieden wurde, wird die Eintragung gelöscht. Die Eintragung im Wettbewerbsregister kann daher häufig nicht vermieden werden. In diesen Fällen muss also vorausschauend verteidigt werden, um die Folgen der Eintragung so gering wie möglich zu halten. Hierzu dient die sog. Selbstreinigung.

 

III.

Selbstreinigung

Die Selbstreinigung bezeichnet Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können, um einen vergaberechtlichen Ausschlussgrund zu beseitigen. Auf diese Weise können sie eine Eintragung im Wettbewerbsregister bereits vor Ablauf der Löschungsfrist löschen lassen.

Einerseits können Unternehmen die Selbstreinigung gegenüber dem Auftraggeber in einem einzelnen Vergabeverfahren nachweisen. Andererseits besteht zusätzlich die Möglichkeit, die Selbstreinigung gegenüber der Registerbehörde nachzuweisen.

Voraussetzung der Selbstreinigung ist zunächst ein Antrag bei der Registerbehörde, in der ein berechtigtes Interesse an der Löschung glaubhaft gemacht wird. Ausreichend hierzu dürfte sein, dass das Unternehmen entweder konkret an einem Vergabeverfahren teilnehmen will oder eine künftige Vergabe an Vergabeverfahren wahrscheinlich ist, meistens wenn also auch in der Vergangenheit an Vergabeverfahren teilgenommen wurde.

Die weiteren Voraussetzungen, die ein Unternehmen für eine „Selbstreinigung“ erbringen muss, sind in § 125 GWB, auf die § 8 WRegG verweist, geregelt.

Danach muss das Unternehmen den Schaden kompensieren, mit den beteiligten Behörden kooperieren und Konsequenzen aus dem Fehlverhalten gezogen haben. Selbstreinigung tritt danach dann ein, wenn das Unternehmen

  • für jeden durch eine Straftat oder ein Fehlverhalten verursachten Schaden einen Ausgleich gezahlt oder sich zur Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet hat (Kompensation),
  • die Tatsachen und Umstände, die mit der Straftat oder dem Fehlverhalten und dem dadurch verursachten Schaden in Zusammenhang stehen, durch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und dem öffentlichen Auftraggeber umfassend geklärt hat (Kooperation), und
  • konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, weitere Straftaten oder weiteres Fehlverhalten zu vermeiden (Konsequenz).

Konkret wird in der Praxis bei der Selbstreinigung unterschieden, welche Delikte der Eintragung im Wettbewerbsregister zu Grunde liegen.

Beim Vorenthalten von Arbeitsentgelt gem. § 266 a StGB und der Steuerhinterziehung gem. § 370 AO wird die Zahlung der Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung oder der Entrichtung der vorenthaltenen Steuern verlangt, zumindest aber die Verpflichtung hierzu, wobei im letzteren Fall verlangt wird, dass zumindest eine vollstreckbare Vereinbarung gegen das Unternehmen vorliegt, in welchem z.B. eine Ratenzahlungsvereinbarung enthalten ist.

In allen übrigen Fällen muss das Unternehmen bei der Aufklärung der durch die Straftat entstandenen Schäden kooperieren und den offenkundig entstandenen Schaden ausgleichen, sich zumindest durch einen titulierten Vergleich hierzu verpflichten. Darüber hinaus hat das Unternehmen technische, organisatorische und personelle Maßnahmen zu ergreifen, um eine Wiederholung des Fehlverhaltens in der Zukunft zu vermeiden. Gerade bei mittleren und größeren Unternehmen wird sich die Anwendung sog. Compliance-Management-Systemen anbieten.

Sollte das Unternehmen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche des Unternehmens erkennen, dass mit einer Verurteilung der Verantwortlichen zu rechnen ist, sollte zumindest geprüft werden, ob man nicht schon in diesem Stadium kooperativ mit den Behörden zusammenarbeitet, den Schaden aufklärt und sodann beseitigt sowie ein Compliance-System etabliert. Dieses Vorgehen böte dabei nicht nur den Vorteil, zügig die Eintragung im Wettbewerbsregister durch eine Selbstreinigung wieder beseitigen zu können, sondern würde in der Regel auch bei der Höhe der Strafe gegenüber dem Verantwortlichen zu seinen Gunsten berücksichtigt werden.

Im Falle eines erfolgreichen Antrags wird die Eintragung aus dem Wettbewerbsregister gelöscht. Hieran sind alle öffentlichen Auftraggeber gebunden: sie dürfen das Unternehmen wegen des der Eintragung zugrundeliegenden Rechtsverstoßes nicht mehr von Vergabeverfahren ausschließen.

 

IV.

Mitteilung von Maßnahmen zur Selbstreinigung

Neben dem Antrag auf vorzeitige Löschung wegen Selbstreinigung kann das Unternehmen entsprechende Maßnahmen im Wettbewerbsregister vermerken lassen, so dass der Ausschluss an einem konkreten Vergabeverfahren vermieden werden kann, §§ 3 Abs. 2 WRegG, 123 Abs. 4 S. 2 GWB.

Damit wird den Unternehmen ein überraschend einfacher Weg eröffnet, um die Wirkung des Wettbewerbsregistergesetz zu umgehen. In diesem Fall prüft nämlich die Registerbehörde nicht, ob tatsächlich Selbstreinigungsmaßnahmen stattgefunden haben. Die Prüfung wird auf die ausschreibende Behörde verlagert. In den Fällen, in denen das Unternehmen – aus welchen Gründen auch immer (Marktbeherrschung, besondere Qualifizierung, überlegenes Know-how durch Patente etc) – von der ausschreibenden Behörde als Vertragspartner gewollt ist, kann auch der zwingende Ausschluss von der Ausschreibung unterlaufen werden.

Hierzu haben eingetragene Unternehmen die Möglichkeit, eine Mitteilung im Wettbewerbsregister zu hinterlegen. Aus dieser Mitteilung geht hervor, dass das Unternehmen die Selbstreinigung seiner Auffassung nach nachweisen kann. Diese Mitteilung wird im Wettbewerbsregister gespeichert und Auftraggebern bei der Registerabfrage mit der Eintragung übermittelt. Zu diesem Zweck muss ein standardisiertes Formular verwendet werden.

 

V.

Rechtsweg

Gegen die Entscheidungen der Registerbehörde ist die Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf zulässig. Die Einzelheiten hierzu ergeben sich aus § 11 WRegG.

 

VI.

Fazit

Für Unternehmen, die sich regelmäßig an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen müssen, kann die Eintragung in das Wettbewerbsregister einschneidende, ja existenzgefährdende Folgen haben. Das Unternehmen hat jedoch die Möglichkeit, erfährt es von entsprechenden Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche des Unternehmens, schon frühzeitig die Weichen zu stellen, um die Wirkungen der Eintragung effizient einzudämmen. In geeigneten Fällen kann es die Wirkung der Eintragung sogar ganz umgehen.

 

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