Die Europäische Union hat am 20. Juni 2019 die Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen erlassen, die von den Mitgliedsstaaten bis spätestens zum 01. August 2022 umgesetzt werden muss. Hintergrund der Richtlinie war, dass die EU-Agentur Eurofound mehrere neue atypische Beschäftigungsformen im Bereich der Gelegenheitsarbeit und der geringfügigen Beschäftigung ermittelt hatte. Mit der neuen Richtlinie sollen deshalb vor allem der Schutz von atypisch Beschäftigten bezüglich der Informationen über die Beschäftigungsbedingungen sowie eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen erreicht werden. Konkret soll die Richtlinie – neben einer Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs und zusätzlichen Informationspflichten – Arbeitnehmern eigene Auskunftsansprüche verschaffen. Diese Auskunftsansprüche sind mit besonderen Begründungspflichten für den Arbeitgeber verbunden und ein Zuwiderhandlungen können mit Geldbußen sanktioniert werden. Der deutsche Gesetzgeber hat die Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt, sondern befindet sich aktuell noch im Transformationsverfahren. Bisher liegt lediglich ein Referentenentwurf vom 14. Januar 2022 vor, der der endgültigen Regelung aber schon sehr nahe kommen dürfte. Ein genaues Hinschauen und eine Vorbereitung auf die neue Gesetzeslage ist deshalb schon jetzt dringend zu empfehlen. Die wichtigsten Änderungen, die mit der Richtlinienumsetzung verbunden sind, stellen wir Ihnen im folgenden Beitrag kurz vor.

Erweiterung des Arbeitnehmerbegriffs

Durch eine weite Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs sollen zukünftig auch Arbeitnehmer/innen in sehr flexiblen atypischen Beschäftigungsformen besser geschützt sein. Die Richtlinie gilt gemäß ihrem Art. 1 Abs. 2 und 3 für Arbeitnehmer/innen, die mehr als drei Stunden pro Woche über einen Zeitraum von vier Wochen (d. h. mehr als zwölf Stunden pro Monat) arbeiten und nach den Rechtsvorschriften, Kollektiv- bzw. Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen EU-Land einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen. Die Rechtsprechung des EuGH ist dabei zu berücksichtigen. Erwägungsgrund (8) der Richtlinie zählt beispielsweise die Arbeit auf Abruf, Gelegenheitsarbeit und geringfügig Beschäftige, aber auch Hausangestellte, Praktikanten und Auszubildende auf. Somit könnten von nun an europaweit ca. drei Millionen Arbeitnehmer/innen mehr als bisher in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

Wesentliche Änderungen im Nachweisgesetz und neuer Ordnungswidrigkeitentatbestand

Besonders betroffen von der Arbeitsbedingungenrichtlinie ist das Nachweisgesetz. Inhaltlich wird der Katalog der erforderlichen Mindestinhalte, die der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 NachwG schriftlich niederzulegen und auszuhändigen hat, von bisher 7 auf nunmehr 15 Nummern erweitert. Zu den bisherigen Mindestinhalten treten insbesondere hinzu:

  • die Festhaltung von vereinbarten Ruhezeiten,
  • bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
  • sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
  • das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren,
  • eine gewisse Darstellung der regelmäßigen oder unregelmäßigen Arbeitszeit.

Darüber hinaus sind für Arbeitsleistungen im Ausland umfassendere Angaben als bisher zu machen.

Auch bezüglich der Frist zur Bereitstellung der Informationen ist eine Änderung vorhergesehen. Anstelle der bisher geltenden Monatsfrist des § 1 Abs. 1 S. 1 NachwG sind gemäß § 2 Abs. 1 S. 4 NachwG-E die Angaben dem Arbeitnehmer spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung zu stellen. Dies betrifft jedoch nur die Nummern 1 bis 10 des § 1 Abs. 1 S. 2 NachwG-E. Im Übrigen bleibt es bei der Monatsfrist.

Für die Form ist entgegen Art. 3 der Richtlinie, wonach die Informationen zukünftig auch in elektronischer Form zur Verfügung zur stellen sind, jedoch noch keine Änderung erfolgt. Gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 NachwG-E ist der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form nach wie vor ausgeschlossen. Ob hier weitere Angleichungen erfolgen, bleibt abzuwarten.

Abschließend ist in § 4 NachwG-E ein neuer Ordnungswidrigkeitentatbestand vorgesehen, der Art. 19 der Richtlinie im Hinblick auf Sanktionen umsetzen soll. Demnach können Verstöße gegen die Informationspflichten fortan mit Geldbuße geahndet werden.

Neue Informationspflichten- und Begründungspflichten in anderen Gesetzen, Ablehnungsrecht und Auskunftsansprüche (insbesondere im Teilzeit- und Befristungsgesetz)

Neben den Änderungen im Nachweisgesetz finden sich im Referentenentwurf für das Berufsbildungsgesetz und das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz einige Erweiterungen der Informationspflichten, wenngleich nicht so umfangreich.

Tiefgreifender ist jedoch die vorgesehene Regelung im Teilzeit- und Befristungsgesetz, welche die Arbeit auf Abruf betrifft: § 12 Abs. 3 TzBfG-E sieht eine Verpflichtung des Arbeitgebers vor, den Zeitrahmen (Referenzstunden und Referenztage) festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Der Arbeitnehmer soll dabei nur zur Arbeitsleistung verpflichtet sein, wenn diese im vorgegebenen Zeitrahmen zu erfolgen hat. Faktisch bedeutet dies ein Ablehnungsrecht, welches auch von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie gefordert wird.

Ebenso befinden sich als wesentliche Neuerungen Auskunftsansprüche der Arbeitnehmer/innen über zu besetzende Arbeitsplätze im Referentenentwurf zum Teilzeit- und Befristungsgesetz. Gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 TzBfG-E hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über entsprechende Arbeitsplätze zu informieren, die im Betrieb oder Unternehmen besetzt werden sollen, wenn der Wunsch nach Veränderung der Arbeitszeit angezeigt wurde. In Erweiterung dazu ist nach § 7 Abs. 3 TzBfG-E Arbeitnehmer/innen, deren Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat und die dem Arbeitgeber in Textform diesen Wunsch angezeigt haben, innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen. Die gleiche Pflicht soll den Arbeitgeber fortan auch treffen, wenn der Wunsch nach einem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag angezeigt wurde.

Eine vergleichbare Begründungs- und Mitteilungspflicht dürfte sich künftig auch im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz finden. Der Entleiher soll nach § 13a Abs. 2 AÜG-E verpflichtet werden, einem Leiharbeitnehmer, der ihm seit mindestens sechs Monaten überlassen ist und der ihm in Textform den Wunsch nach dem Abschluss eines Arbeitsvertrages angezeigt hat, innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen.

Kostenlose Pflichtfortbildungen

Zur Stärkung der Rechte von Arbeitnehmer/innen soll in der Gewerbeordnung ein neuer § 111 geschaffen werden. Dieser sieht im Referentenentwurf vor, dass den Arbeitnehmer/innen Kosten für Pflichtfortbildungen nicht auferlegt werden dürfen und sie als Arbeitszeit gelten, soweit Fortbildungen außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit durchgeführt werden müssen.

Anwendung arbeitsrechtlicher Rechtsvorschriften auf Auszubildende

Abschließend berücksichtigt der Referentenentwurf die Erweiterung des Arbeitnehmerbegriffs in verschiedenen Gesetzen (z.B. Notfallsanitätergesetz) mit einer Ergänzung der bereits bestehenden Regelungen zu Ausbildungsverträgen. Demnach sind „auf den Ausbildungsvertrag, soweit sich aus seinem Wesen und Zweck sowie aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden.

Das Beratungsangebot von GKD Rechtsanwälte im Arbeitsrecht

GKD-Rechtsanwälte berät Sie umfassend in allen Fragen des Arbeitsrechts – insbesondere natürlich auch zu der geplanten Gesetzesänderung. Wir unterstützen Sie bei der Durchsetzung und der Abwehr von Ansprüchen aus einem Arbeitsvertrag mit Ihren Mitarbeitern. Gerne entwerfen wir für Sie auch einen rechtssicheren Arbeitsvertrag oder passen diesen bei Bedarf an die aktuelle Rechtslage und die neuste Rechtsprechung an.

Für alle Fragen rund um das Arbeitsrecht stehen Ihnen unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht Dr. Rolf Stagat und Thomas Zürcher, LL.M. sowie Herr Rechtsanwalt Dr. Stefan Jäkel  und Frau Rechtsanwältin Cornelia Kuhn an unseren Standorten in Konstanz und in Freiburg sehr gerne zur Verfügung.

Dr. Rolf Stagat

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