Die Coronakrise hat viele Verlierer hervorgebracht aber auch Gewinner. Eine Branche, nämlich die Beratungsbranche im Bereich Recht und Steuern, konnte sich über mangelnde neue Aufgaben und damit Einnahmemöglichkeiten nicht beklagen. Schon bei der Beantragung der sog. Soforthilfen im Jahr 2020 war der sog. „Normalbürger“ überfordert und hatte sich regelmäßig beraten lassen, auch wenn man die Anträge noch selbst hätte stellen können. 

Bei den von den Bundesländern gewährten Überbrückungshilfen I-III, III + und IV war dies anders, diese konnten nur durch sog. prüfende Dritte gestellt werden. Wer prüfender Dritter sein konnte, bestimmte § 3 Steuerberatungsgesetz (StBerG). Danach konnten prüfende Dritte u.a. Steuerberater und Steuerberaterinnen, Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen sowie Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüferinnen sein. In der Praxis beherrschten Steuerberater und Wirtschaftsprüfer aber das Feld, dies i.d.R. deswegen, weil sie die wirtschaftlichen Umstände des Unternehmens aus der täglichen Beratungspraxis schon kannten. Das Hauptaugenmerk dieses Beitrages wird sich daher auf diese Berufsgruppe richten.

Bis zum 15. Juni 2022 konnten sog. Erstanträge zur Gewährung der Überbrückungshilfe gestellt werden, Änderungsanträge bis zum 30. September 2022. Die für die Verifizierung der gewährten Subventionen erforderlichen Angaben (wie Umsatzeinbrüche und Fixkosten) mussten im Rahmen der sog. Schlussabrechnung bis Ende Oktober 2023 vorgelegt werden, bei beantragter Fristverlängerung bis Ende März 2024. Wie auch bei der Antragstellung der Überbrückungshilfen I bis IV konnte bzw. kann die Schlussabrechnung nur durch einen sog. prüfenden Dritten erfolgen.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, welche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen sich für den Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ergeben, sollte Überbrückungshilfe durch Abgabe unrichtiger Anträge erwirkt worden sein. Es soll auch darüber nachgedacht werden, ob bei der Tätigkeit als prüfender Dritter andere haftungsrechtliche Grundsätze gelten als bei der sonstigen Tätigkeit im Bereich der Steuer- oder Wirtschaftsberatung (§ 57 Abs. 3 Ziffer 3 StBerG) und insbesondere, ob sich der Berater auf den Standpunkt zurückziehen kann, ungeprüft die Informationen des Unternehmens übernommen zu haben.

I.

Grundsätzliches zur Haftung des StB/WP

Rechtsgrundlage für Ansprüche gegen den Berater ist seit 2002 § 280 BGB, da es sich bei dem Vertrag zwischen Berater und Mandant um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter handelt (zum Ganzen Fischer, in Handbuch der Anwaltshaftung unter Einbeziehung von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, 2015, § 3). Voraussetzung ist danach der Abschluss eines Mandatsvertrages, die Verletzung einer Haupt- oder leistungsbezogenen Nebenpflicht, die der Berater zu vertreten hat und der Eintritt eines (Vermögens-)Schadens, der kausal auf der Pflichtverletzung beruht.

 

  1. Inhalt und Umfang des Auftrages

Inhalt und Umfang des zwischen Berater und Mandant geschlossenen Vertrages sind maßgeblich für die Frage, welche Pflichten der Berater bei der Durchführung des Mandates hat. Soll durch den Steuerberater lediglich steuerlich im Sinne des § 1 StBerG  beraten werden, bspw. durch Abgabe der jeweiligen Steuererklärung, haftet er nicht für Schäden, die durch eine zutreffende rechtliche oder betriebswirtschaftliche Beratung vermieden worden wären (Kilian, in Graf v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 2022, Steuerberater, A, II, 1.). In diesem Zusammenhang werden dem Berater auch rechtliche Grenzen gesetzt. Eine rechtliche Beratung ist dem Berater untersagt, es sei denn es handelt sich lediglich um eine Nebenleistung, die zum Berufsbild des Beraters gehört (§ 5 Abs. 1 S. 1 RDG). Bei der Frage, ob der Berater möglichweise einen Schaden zu verantworten hat, der dem Mandanten entstanden ist, ist also zunächst einmal der Inhalt des Vertrages zu ermitteln, der zwischen dem Berater und seinem Mandanten geschlossen wurde.

 

  1. Sich daraus ergebende Pflichten des StB/WP

 

a. Verletzung von Hauptpflichten

Für jeden Vertrag, der zwischen StB oder WP und dem Mandanten geschlossen wurden, sind demzufolge die Pflichten des Beraters individuell zu ermitteln.

Geklärt ist, dass beim reinen Steuerberatermandat nach § 1 StBerG die Pflicht

  • zur Sachverhaltsaufklärung,
  • zur Rechtsprüfung,
  • und Beratung hinsichtlich des sichersten Weges

Kardinalpflichten des Beraters sind. Bei der Wahrnehmung dieser Pflichten ist im Einzelnen zwar manches umstritten, sicher aber dürfte sein, dass der Berater gehalten ist, die tatsächlichen Voraussetzungen einer Beratung gegenüber dem Mandanten abzuklären, da er nicht davon ausgehen darf, dass der Mandant als Laie weiß, welche Informationen der Berater bei der Erledigung seines Auftrages benötigt. Die insoweit dem Berater zur Verfügung gestellten Informationen darf der Berater dann übernehmen, ohne sie im Einzelnen überprüfen zu müssen, es sei denn es drängen sich ihm Ungereimtheiten auf. Der Berater darf von der Redlichkeit des Mandanten ausgehen. Auf der Basis dieser Informationen muss der Berater die steuerlich relevanten Kenntnisse erwerben und dem Mandanten vermitteln. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Beratung hat er einzustehen. Er muss sich über die Entwicklung der Gesetzgebung wie auch der Rechtsprechung auf dem Laufenden halten und sich aus allen wesentlichen zur Verfügung stehenden Quellen informieren. Diese Kenntnisse muss er dem Mandanten gegenüber vollständig und verständlich darstellen, sowie auf den sichersten Weg hinweisen, der zu dem möglichen und i.d.R. gewünschten Ergebnis führt. Es streitet die Vermutung zu Gunsten des Mandanten, dass dieser dann, auf der Grundlage einer solchen Beratung, beratungskonform gehandelt hätte, so dass der Berater gehalten wäre, irrationales Verhalten des Mandanten zu dokumentieren (jedenfalls aus seiner und der Sicht seiner Haftpflichtversicherung).

b. Verletzung von Neben- bzw. Hinweispflichten

In letzter Zeit hat der BGH und die sich ihm anschließenden OLG die Haftung des Beraters Schritt für Schritt dadurch erweitert, dass dem Berater im Rahmen seines Mandates Nebenpflichten in Form von Hinweispflichten auferlegt wurden. Der Unterschied zum Verstoß von Hauptpflichten ist u.a., dass der Berater zwar nicht die Erbringung der zutreffenden und umfassenden Beratungsleistung schuldet, sondern den Hinweis, dass der Mandant nunmehr den Rat eines Dritten einholen sollte, um die sich stellende Frage zu klären. Für den Bereich des Insolvenzrechts hat der BGH im Jahr 2017 unter zumindest teilweiser Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass der Berater, der mit der Erstellung der Steuerbilanz beauftragt war, auch den Geschäftsführer der GmbH darauf hinweisen müsse, dass er möglicherweise die Stellung eines Insolvenzantrages prüfen müsse (BGH, Urt. V. 26.01.2017, IX ZR 285/14, so auch OLG Schleswig, NZI 2020, 539). Noch 2013 hatte derselbe 9. Senat des BGH, der sowohl für Fragen des Insolvenzrechts als auch für die Steuerberaterhaftung zuständig ist, diese Hinweispflicht abgelehnt (BGH, Urt. V. 07.03.2013 IX ZR 64/12). Hochaktuell hat sich das OLG Hamm dieser Rechtsprechung angeschlossen und die Haftung eines Steuerberaters bejaht, der mit der Lohnbuchhaltung beauftragt war und nicht auf die rechtlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Anwendung des § 7 SGB IV und der leidigen Frage, wann eine GmbH zur Abführung von Sozialabgaben für den GmbH-Geschäftsführer verpflichtet sei, hingewiesen hatte (OLG Hamm, Urt. V. 08.04.2022, 25 U 42/20).

 

  1. Zivilrechtliche Folgen aus einem Verstoß gegen die Pflichten/Umfang des Beraters

 

a. Gegenüber dem Auftraggeber

Verstößt der Berater gegen die oben dargestellten Pflichten, macht er sich schadensersatzpflichtig. Er haftet gegenüber dem Mandanten aus § 280 BGB für den Schaden, der dem Mandanten aus der Falschberatung entstanden ist, der damit so zu stellen ist, als hätte der Berater ihn pflichtgemäß beraten (sog. Differenzhypothese, § 249 ff BGB).  Die Differenzhypothese wird ergänzt durch haftungserweiternde oder -beschränkende Umstände, wie normative Erwägungen oder Gesichtspunkte des Schutzzweckes, die aber für die vorliegende Fragestellung keine wirklich relevante Bedeutung haben.

b. Gegenüber Dritten

Es ist seit längerem anerkannt, dass den Berater unter Umständen auch Ansprüche eines Dritten treffen können, wenn seine Tätigkeit gegenüber dem Mandanten zu Schäden bei dem Dritten führt. Neben dem gesetzlich geregelten Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB), bei dem ein Dritter unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern, hat die Rechtsprechung den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter herausgebildet, bei dem der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten, aber auch Hauptleistungspflichten, einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann (BGH, NJW 2004, 3420 = WM 2004, 1869 [1870]).

aa. Nebenpflichten, insb. Auskunftspflichten

Der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind, anders als i.d.R. der Rechtsanwalt (dem die Vertretung mehrerer Parteiinteressen nicht nur berufsrechtlich sondern auch strafrechtlich untersagt ist, § 356 StGB), nicht selten für mehrere Parteien tätig. Das Mandatsverhältnis kann beispielsweise sowohl für eine GbR als auch für den einzelnen Gesellschafter der GbR, möglicherweise sogar für alle Gesellschafter der GbR oder im Rahmen der gemeinsamen Veranlagung von Ehegatten bestehen.  Wird der Berater in einer solchen Konstellation nur für die GbR und den geschäftsführenden Gesellschafter oder nur für einen Ehegatten vertraglich tätig, so ist es gleichwohl anerkannt, dass er den übrigen Gesellschaftern bzw. dem Ehegatten zur Auskunft verpflichtet ist.

bb. Schadensersatz

Neben dem Anspruch auf Auskunft haftet der Berater auch für die Schäden der übrigen Gesellschafter, die aus einer fehlerhaften Auskunft resultieren. Diese Konstellation ist bei sog. Fondsanlagen anzutreffen, bei denen der Wirtschaftsprüfer die Aufgabe der Kontrolle der Mittelverwendung übernommen hat, bei Ehegatten, bei denen der Berater vertragliche Gestaltungen anstößt oder eben bei der Beratung einer Kapitalgesellschaft (konkret einer GmbH), bei der auch der Gesellschafter/Geschäftsführer in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen ist. Hier ist der Berater zur Auskunft und Information des Dritten verpflichtet, für den er die Kontrolle im Falle der Fondskontrolle oder die Beratung im Falle der drohenden Insolvenz einer GmbH i.E. auch übernommen hat (BGH, Urt. v. 09.11.2017, III ZR 610/16; Urt. v. 14.06.12, IX ZR 145/11).

 

  1. Strafrechtliche Folgen aus einem Verstoß gegen die Pflichten des Beraters

Alle wesentlichen in Betracht kommenden Straftatbestände jenseits des Steuerstrafrechts werden gemeinhin dem sog. Wirtschaftsstrafrecht zugerechnet (Fischer, StGB, 2021, § 27 Rn 19 c). Sie zeichnen sich häufig dadurch aus, dass diese Delikte nicht von jedermann täterschaftlich begangen werden können, sondern besondere Anforderungen an denjenigen stellen, der als Adressat des Delikts die Tat begehen kann (sog. Sonderdelikte).

Bei der Insolvenzverschleppung (§ 15 a Abs. 4 InsO „Mitglieder des Vertretungsorgans“) oder dem Vorenthalten von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB: „Arbeitgeber“) wird dies schon aus dem Wortlaut ersichtlich. Bei der Untreue (§ 266 StGB: der Vermögensbetreuungspflichtige“) ist dies schon subtiler. Jedenfalls kann der Berater bei diesen Delikten nicht Täter sein, sondern allenfalls Anstifter oder Gehilfe. Selten wird die Initialzündung (im Sinne einer Anstiftung nach § 26 StGB) für die Begehung einer Straftat vom Berater ausgehen, der in der Regel davon nichts hat. Zumeist wird er bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände durch fördernde Handlungen nach außen auftreten und sich damit der Gefahr aussetzen, als Gehilfe der Straftat belangt zu werden (§ 27 StGB).

Beispiele sind

  • die Förderung der Insolvenzverschleppung durch den Geschäftsführer einer GmbH durch Verhandlungen des Beraters beim Abschluss von Stundungsvereinbarungen mit Gläubigern, strafbar nach §§ 15a Abs. 4 InsO, 27 StGB;
  • beim Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt durch die Erstellung von Entgeltabrechnungen in Kenntnis der Unwilligkeit des Geschäftsführers diese auch abzuführen, strafbar nach §§ 266a, 27 StGB;
  • bei Bankrotthandlungen des Schuldners durch eine unzutreffende Bewertung von Sachwerten der Schuldnerin, die an ein Unternehmen des dem Schuldner wirtschaftlich oder persönlich nahestehenden Dritten veräußert werden sollen, strafbar nach §§ 283, 27 StGB.

Die Aufstellung könnte beliebig verlängert werden, immer liegt eine strafbare Beihilfehandlung nahe, gebetsmühlenartig wird die Beihilfe wie folgt subsumiert:  Strafbare Beihilfe ist die vorsätzliche Hilfeleistung zu einer vorsätzlich begangenen Straftat eines anderen (§ 27 Abs. 1 StGB). Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist dabei grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr.; vgl. nur BGH Urt. v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107109 mwN). Die Hilfeleistung muss auch nicht zur Ausführung der Tat selbst geleistet werden, es genügt schon die Unterstützung bei einer vorbereitenden Handlung (BGH Urt. v. 8.3.2001 – 4 StR 453/00, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 22 mwN). Das kann grundsätzlich auch durch äußerlich neutrale Handlungen geschehen (BGH Urt. v. 23.1.1985 – 3 StR 515/84, HFR 1985, 429). Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern; Einzelheiten der Haupttat braucht er nicht zu kennen. Ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn lieber vermeiden würde, ist nicht entscheidend. Es reicht, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, und der Hilfeleistende dies weiß (BGH aaO, BGHSt 46, 107109 mwN).

Diese, für jedes strafbare Beihilfeverhalten geltenden Grundsätze wurden seit Mitte der 90er Jahre kritisch hinterfragt (u.a. Hassemer, wistra 1995, 41). Bei äußerlich neutralen Tätigkeiten, die keinen unmittelbaren Sinn-Zusammenhang zur Straftat des Mandanten aufwiesen wurde – vereinfacht beschrieben – geltend gemacht, dass berufstypisches Verhalten nicht per se strafbar sein könne. Es sei für den Berater in der Regel nicht erkennbar, ob der Mandant die berufliche Zuarbeit des Beraters zu einer Straftat nutzen würde oder nicht.

Der BGH hat hierzu, im Anschluss an unterschiedliche Ansätze in der Literatur, eine subjektive Lösung entwickelt und folgende Grundsätze entwickelt und immer wieder angewendet:

Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter“; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH Urt. v. 22.1.2014 – 5 StR 468/12, wistra 2014, 176; und v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107112 ff.; Beschl. v. 20.9.1999 – 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20). Das „billigende Inkaufnehmen“ des Taterfolges wird durch „das angelegen sein lassen“ der Förderung des erkennbar tatgeneigten Täters ersetzt. 

Ob der Ansatz zu anderen Ergebnissen führt, als wendete man die allgemeinen Beihilfegrundsätze an, wird zum Teil bezweifelt, zum Teil wird der erkennbare Wille zur Privilegierung bestimmter Berufsgruppen nicht anerkannt (kritisch zum Ganzen Fischer, StGB, 2021, § 27, 19 c, der, vielleicht nicht zu Unrecht keine Veranlassung sieht, bestimmte Berufsgruppen, wie Bankangestellte oder Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte zu privilegieren). Immerhin wurde in einer recht aktuellen Entscheidung des 1. Senates ein Urteil des LG Rostock aufgehoben, in dem ein Steuerberater wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei einem Umsatzsteuerkarussell verurteilt worden war, obschon der Steuerberater vor der Tat aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses von den Umständen der Haupttat hätte wissen müssen, jedenfalls aber erkennen können, dass das „Geschäftsmodell“ der Geschäftsführer der betreffenden GmbH nicht legal war (BGH, Beschl. V. 17.06.2021, 1 StR 132/21).

 

II.

Zivilrechtliche Haftung des StB/WP bei der Beantragung von Corona-Hilfen (ins. Überbrückungshilfen I-IV)

 

  1. Inhalt/Umfang des Auftrages

Der Inhalt des Auftrages zwischen Subventionsempfänger und Berater ist die Stellung des Subventionsantrages zur Gewährung der Subvention, wobei der Berater dafür Sorge zu tragen hat, dass die Subvention in voller Höhe gewährt wird. Damit befindet sich der Berater im Bereich der betriebswirtschaftlichen Beratung, für die er im Übrigen auch haftpflichtversichert ist. Es gelten insoweit die unter I. 1. dargestellten Grundsätze.

 

  1. Sich daraus ergebende Pflichten des StB/WP

Die Pflicht des Beraters ist zunächst die umfassende Aufklärung des Sachverhaltes, also die Ermittlung der Umstände, die zu einer zutreffenden Antragstellung führen. Bei der Frage, welche Tatsachen bzw. welcher Sachverhalt aufzuklären ist, „helfen“ die jeweils gültigen FAQs. Regelmäßig werden dort die Angaben dargestellt, die für eine erfolgreiche Antragstellung erforderlich sind (Umsatzeinbruch des Antragszeitraums im Verhältnis zum Referenzzeitraum des Vorjahres, Fixkosten als förderfähige Größe etc). Diese Informationen hat der Berater zusammenzustellen und auf ihre Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Bei dieser Schlüssigkeitsprüfung kann und darf sich der Berater nicht auf die Angaben des Mandanten verlassen, er muss die in den FAQs genannten Unterlagen (Umsatzsteuervoranmeldungen, Jahresabschlüsse, Steuererklärungen und Steuerbescheide, Aufstellung der Fixkosten für den Antragszeitraum und den Referenzzeitraum), beiziehen und verwerten.

Im Weiteren ist es Pflicht des Beraters, den Antrag fristgerecht und vollständig zu stellen und eventuell auftretende Nachfragen der Subventionsstelle zu beantworten, so dass die formellen Voraussetzung des Überbrückungshilfeantrages erfüllt sind. Inwieweit es noch zum Aufgabenkreis des Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers gehört, das sich, nach Ablehnung des Subventionsantrages, anschließende Widerspruchsverfahren zu führen, ist streitig. Der Berater, der nicht zur Rechtsberatung befähigt ist, ist jedenfalls gut beraten, dass Widerspruchsverfahren durch einen Rechtsanwalt führen zu lassen, nicht zuletzt deswegen, weil er für Fehler im Bereich der Rechtsberatung nicht haftpflichtversichert ist.

 

  1. Zivilrechtliche Folgen aus einem Verstoß gegen die Pflichten/Umfang des SE

 

a. Gegenüber dem Auftraggeber

aa. Verletzt der Berater seine Pflichten, so haftet er aus § 280 BGB.

Haftungserweiternde oder -beschränkende Umstände, wie normative Erwägungen oder Gesichtspunkte des Schutzzweckes der haftungsbegründenden Norm spielen für die Schadensfrage bei Überbrückungshilfen kaum eine Rolle. Begeht der Berater bei    der Antragstellung der Überbrückungshilfe einen Fehler, der dazu führt, dass die Subvention nicht gewährt wird, obschon die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen, so haftet er in Höhe der nicht gewährten Subvention, da Schutzzweck des § 280 BGB die vermögensrechtlichen Interessen des Unternehmens sind und Subventionen, wie die Überbrückungshilfe, unzweifelhaft ein vermögensrechtlichen Anspruch darstellen. Auch der Einwand, die Gewährung einer Subvention stelle ein Ermessensentscheidung dar, auf die kein Anspruch bestünde, so dass bei richtiger Beratung nicht feststehe, dass die Subvention auch tatsächlich gewährt worden wäre, greift bei den Überbrückungshilfen m.E. nicht durch. Die Überbrückungshilfen sind zwar grundsätzlich freiwillige staatliche Leistungen, auf deren Erbringung kein direkter Anspruch besteht; dies wird durch die jeweiligen Vollzugshinweise klargestellt. Entscheidet sich der Staat jedoch freiwillig zur Gewährung von Leistungen, so muss die Verteilung nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgen. Mithin besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung der jeweiligen Überbrückungshilfe (Aschke in: BeckOK VwVfG, Stand 01.07.2022, § 40 Rn. 76). Dieser Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung verdichtet sich zu einem direkten Anspruch auf die Gewährung der Überbrückungshilfe, da das behördliche Ermessen wegen einer Selbstbindung der Verwaltung unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 1 GG auf Null reduziert ist. Zur Beurteilung einer solchen Selbstbindung der Verwaltung ist auf die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis abzustellen, welche durch einschlägige öffentliche Verlautbarungen bestimmt werden kann (VG Halle, Urteil vom 25.04.2022 – 4 A 28/22 HAL, BeckRS 2022, 9223, Rn. 17). Hält sich die Behörde etwa an einschlägige Vollzugshinweise, so ist sie an deren Einhaltung gem. Art. 3 Abs. 1 GG gebunden, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 25.04.2012 – 8 C 18/11 – NVwZ 2012, 1262, 1265). Im Rahmen der massenhaften Gewährung von Corona-Überbrückungshilfen orientieren sich die jeweiligen Subventionsstellen als entscheidende Behörde an den Vollzugshinweisen und den zugehörigen FAQs. Eine entsprechende Selbstbindung der Verwaltung liegt vor.

bb. Dieser Haftung kann der Berater allerdings noch entgehen, wenn er Fehler bei der Antragstellung im Rahmen der Schlussabrechnung korrigiert und so eine Nachzahlung veranlasst, die – außer bei der Überbrückungshilfe I – in allen Fällen möglich ist.

 

b. Gegenüber Dritten

Ansprüche Dritter kommen hier naturgemäß hauptsächlich für den Subventionsgeber  in  Betracht, wenn dieser zu Unrecht Überbrückungshilfe gewährt hat. Nebenpflichten, wie Auskunftspflichten spielen schon deswegen nur eine untergeordnete Rolle, weil im Rahmen des Vergabeverfahrens der Berater im Rahmen der Rückfragen umfangreich Auskunft zu den Unternehmensdaten erteilen muss.

Schadensersatz schuldet der Berater dem Subventionsgeber, wenn er gegen die oben dargestellten Pflichten zur Aufklärung aller subventionserheblichen Umstände verstößt. Durch die Einführung des „prüfenden Dritten“ hat der Subventionsgeber nicht nur einen Weg gefunden, das Antragsverfahren durch die Einschaltung von fachkundigen und seriösen Beratern zu vereinfachen. Er hat auch einen Haftungsgegner etabliert, dem in den FAQs ein Pflichtenprogramm aufgegeben wird, welches ersichtlich dem Schutz des Subventionsgeber dienen soll. Dadurch wird der Subventionsgeber in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen, die zwischen Berater und Mandant bestehen (hierzu I. 3. b). Aufgrund dieses Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter haftet der Berater gegenüber dem Subventionsgeber allerdings nur dann, wenn die Subvention des Subventionsgebers endgültig verloren ist, dies dürfte erst dann der Fall sein, wenn im Rahmen der sog. Schlussabrechnung ursprünglich fehlerhafte Anträge nicht korrigiert werden.

Dabei stellt sich die Frage, ob im Falle einer bereits gewährten, also ausgezahlten Überbrückungshilfe der Berater dann aus § 280 BGB zur Rückzahlung verpflichtet ist, wenn der Subventionsempfänger insolvent ist. Dies dürfte abzulehnen sein, liegt doch der Schutzzweck der Norm (hierzu Ernst, in Münchner Kommentar, 2022, § 280 RN 72) nicht darin, für die Bonität einzustehen, sondern in der Möglichkeit, aufgrund einer vom Berater vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung die Antragsvoraussetzungen zu prüfen. (Etwas anderes dürfte allerdings dann gegeben sein, wenn der Berater bewusst oder leichtfertig den Subventionsgeber über die Antragsvoraassetzungen täuscht, hierzu unten).

 

c. Strafrechtliche Folgen aus einem Verstoß gegen die Pflichten, § 264 StGB

 

aa. Allgemeines

Der 6. Senat des BGH hat zwischenzeitlich klargestellt, dass es sich auch bei den Corona-Hilfen um Subventionen im Sinne des § 264 Abs. 8 S. 1 handelt, über die der Antragsteller nach § 264 Abs. 1 S. 1 falsche Angaben gemacht hat und die vom Subventionsgeber als subventionserhebliche Tatsache hinreichend konkret bezeichnet wurde (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 Variante 2 StGB). Danach habe sich der Antragsteller bei der Beantragung der Soforthilfen nach § 264 StGB strafbar gemacht (BGH, Beschl. vom 04.05.2021, 6 StR 137/21).

Diese Rechtsprechung dürfte auch für die Überbrückungshilfen I – IV Anwendung finden, auch dort wurde jeweils hinreichend deutlich auf die Folgen einer falschen Antragstellung hingewiesen. So lautet es bspw. in den Vollzugshinweisen zur Überbrückungshilfe IV, Punkt 12:

„Die Angaben im Antrag sind – soweit für die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung und Weitergewährung oder das Belassen der Hilfen von Bedeutung – subventionserheblich i. S. d. § 264 des Strafgesetzbuches i. V. m. § 2 des Subventionsgesetzes vom 29. Juli 1976 (BGBI I S. 2037) und Art. xxx des Landessubventionsgesetzes (xxx Fundstelle). Die subventionserheblichen Tatsachen sind vor der Bewilligung einzeln und konkret zu benennen und eine Erklärung über die Kenntnis dieser Tatsachen zu verlangen. Bei vorsätzlichen oder leichtfertigen Falschangaben müssen die Antragstellenden und/oder die Steuerberater/innen, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer/innen, vereidigte Buchprüfer/innen oder Rechtsanwälte/-anwältinnen mit Strafverfolgung wegen Subventionsbetrugs rechnen.“

Tauglicher Täter einer Tat nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist daher nicht nur der Antragsteller selbst sondern auch der prüfende Dritte, also der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt.

  • 264 StGB wartet auch sonst noch mit mancherlei Überraschungen auf. So verlangt die Norm nur sehr wenig: Weder muss auf Seite des Subventionsgebers ein Irrtum über die Voraussetzungen der Subventionsgewährung erregt werden, geschweige denn die Verwirklichung eines wie auch immer gearteten Schadens. Da es sich insoweit um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, genügt die fehlerhafte Antragstellung, um sich strafbar zu machen. Die Tat ist vollendet, wenn der Antrag im Rahmen des Subventionsverfahrens bei der bewilligenden Stelle eingeht. Damit ist gleichzeitig auch eine Vorverlagerung der Tatbestandsverwirklichung gegeben, vergleicht man die Norm mit § 263 StGB.

Auch muss der Antragsteller nicht vorsätzlich handeln, es genügt, wenn er die falschen Angaben leichtfertig macht, also grob fahrlässig handelt (Ceffinato, in Münchner Kommentar, 2022, § 264, RN 121). In dieser Erweiterung der Strafbarkeit liegt letzten Endes auch das Besondere der Vorschrift. In nur ganz wenigen Fällen des strafrechtlichen Vermögensschutzes findet eine Pönalisierung jenseits vorsätzlichen Handelns statt (so sind die Kerntatbestände des StGB, also § 263 StGB und § 266 StGB nur als Vorsatztaten strafbar).

 

bb. Konkrete Anwendung des § 264 StGB auf die Überbrückungshilfe-Fälle

 

Die Haftung des Beraters bei Anträgen auf Überbrückungshilfe unterscheidet sich also ganz wesentlich von den sonst typischen Fällen strafrechtlichen Handelns, wie bsp. bei der Beihilfe zur Steuerhinterziehung, der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung oder der Beihilfe zur Untreue etc.

Anders als in diesen Fällen ist der Berater nicht nur Gehilfe der Tat, sondern Haupttäter. Die Privilegierung bei sog. berufstypischen, neutralen Tätigkeiten kommen ihm nicht zu Gute. Es muss ihm auch nicht Vorsatz zur Unterstützung einer vorsätzlich begangenen Haupttat nachgewiesen werden.

Er haftet auch nicht nur in Fällen vorsätzlichen Handelns, § 264 Abs. 5 StGB erweitert die Haftung in den Fällen des Abs. 1 Ziffer 1 bis Ziffer 3 auch auf Fälle der Leichtfertigkeit. Leichtfertigkeit wird von der Rechtsprechung zwar an der Grenze zum Vorsatz angesiedelt und setzt eine besondere Gleichgültigkeit oder grobe Unachtsamkeit voraus (BGH, Urteil v. 29.10.2009, 4StR 97/09), doch wird man leichtfertiges Handeln, in Abgrenzung zu der nicht leichtfertig verwirklichbaren Tatvariante des Abs. 1 Ziffer 4, immer dann annehmen müssen, wenn der Berater es unterlässt, die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen auch beizuziehen und sorgfältig zu prüfen. Bei der Prüfung der Leichtfertigkeit legt der BGH die individuellen Fähigkeiten des Täters zugrunde, dies kommt im Zweifelsfall dem juristisch nicht bewanderten Geschäftsführer zugute (so im Fall des BGH, Urt. v. 20.03.2013, 5 StR 344/12), hilft aber dem Berater als prüfendem Dritten gerade nicht – im Gegenteil. Ziel des Subventionsgebers bei der Hinzuziehung der entsprechenden Berufsgruppen war es gerade, die entsprechende Kompetenz des Beraters zu nutzen, um Missbrauchsfällen vorzubeugen. Auch aus den Versicherungen, die der Berater im Rahmen der Antragsstellung regelmäßig abzugeben hatte, ergibt sich diese gesteigerte Prüfpflicht.

Damit kann sich der Berater auch nicht dadurch exkulpieren, dass er den Angaben des Mandanten, der übrigens selbst Mittäter ist, vertraut, ihm kommt eine eigene Prüfpflicht zu.

Zu diesen Risiken dürfte auch hinzukommen, dass gerade bei der verwaltungsrechtlichen  Rückforderung zu Unrecht gewährter Hilfen aber auch der strafrechtlichen Ahndung, sowohl der Subventionsgeber als auch die Staatsanwaltschaften, voraussichtlich wenig Nachsicht werden walten lassen. Das Verständnis gegenüber Abkassierern, die sich auf dem Rücken der Krise schadlos halten, dürfte sehr überschaubar sein.

 

cc. Deliktische Haftung nach §§ 823 Abs. 1 und 2 BGB, in Verbindung mit § 264 StGB

 

Eine weitere „strafrechtliche Folge“ ist die verschärfte Haftung des §§ 823 Abs. 1 und 2 BGB

i.V.m. § 264 StGB. § 264 StGB ist Schutznorm im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Für den Berater bedeutet dies, dass er im Falle eines nur leichtfertigen Subventionsbetruges auch deliktisch für die Rückerstattung der Beträge haftet. In diesem Falle dürfte es auf der Hand liegen, dass auch die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung die Deckung verweigern wird. Der Berater und gegebenenfalls auch seine Sozien haften dann mit ihrem Privatvermögen.

 

Fazit:

Der Hinweis des Subventionsgebers, der Berater hafte nur nach den Regeln seines Berufsrechts ist trügerisch. Durch das umfassende Prüfprogramm und die Weite des deliktischen Tatbestandes besteht ein wenig bekanntes und dadurch noch gefährlicheres Haftungspotential.