Als gesetzlicher Vertreter hat der Geschäftsführer einer GmbH nach § 34 Abs. 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass die Steuern der Gesellschaft aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet. Die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer sowie des Solidaritätszuschlags zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten (§ 38 Abs. 3, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) stellt nach ständiger Rechtsprechung des BFH regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers im Sinne des §§ 34, 69 AO dar. Read More
- § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG enthält eine negative Fiktion. Danach gelten die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nicht in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist. Dies gilt uneingeschränkt jedenfalls dann, wenn die organschaftliche Stellung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (noch) besteht. Für die Beurteilung der Kündigung ist es unerheblich, ob das Organmitglied sein Amt nach deren Zugang niederlegt.
- Die negative Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG kommt auch und gerade dann zum Tragen, wenn das der Organstellung zugrunde liegende schuldrechtliche Anstellungsverhältnis materiellrechtlich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren wäre.
(Orientierungssätze 1 bis 2 der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG, Urteil vom 21.09.2017 – 2 AZB 865 / 16 (LAG Berlin-Brandenburg), BeckRS 2017, 140661
Sachverhalt
Der Kläger war Geschäftsführer einer Unternehmensberatungs-GmbH. Beschäftigt war er bei der Beklagten seit April 1996, zuletzt als „Executive Director“ auf der Grundlage eines Vertrags vom 26. November 2012. Seit Januar 2011 war er zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt. Am 25. Februar 2014 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31. August 2014. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und machte geltend, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er sei auch nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer weiter als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Das Kündigungsschutzgesetz finde jedenfalls nach den Grundsätzen des Rechtsmissbrauchs Anwendung. Mit Schreiben vom 27. August 2017 legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung nieder.
Entscheidung
Die Revision blieb ohne Erfolg. Laut BAG bedurfte die Kündigung gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht der sozialen Rechtfertigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Das BAG verweist darauf, dass § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG eine negative Fiktion enthält, wonach die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes für GmbH-Geschäftsführer nicht gelten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (noch) besteht. Diese Voraussetzung war erfüllt, da der Geschäftsführer sein Amt erst nach Zugang der Kündigung niedergelegt hatte. Organvertreter iSd. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG müssen auch keine leitende Stellung im Innenverhältnis haben, denn „Angestellte in leitender Stellung“ iSd § 14 KSchG sind alle Angehörigen der in Abs. 1 und Abs. 2 der Regelung bestimmten Personengruppen. Geschäftsführer einer GmbH fallen danach schon aufgrund ihrer Organstellung unter § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Der Ausschluss der Organvertreter vom gesetzlichen Kündigungsschutz verstoße im übrigen weder gegen Art. 12 Abs. 1 GG noch gegen Art. 3 GG. Vielmehr sei das Interesse juristischer Personen, die Anstellungsverträge von Organmitgliedern ohne das Erfordernis einer sozialen Rechtfertigung beenden zu können, schutzwürdig. Schließlich stellt das BAG klar, dass seine geänderte Rechtsprechung zur negativen Fiktion des § 5 Abs.1 Satz 3 ArbGG nicht auf § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG übertragbar sei.
Praxishinweis
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten den Rechtsstreit an das Landgericht verwiesen. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers hat das BAG den Arbeitsrechtsweg unter Verweis auf seine geänderte Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG für zulässig erklärt, wonach dessen Fiktionswirkung auf die Dauer der Organstellung beschränkt ist und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch dann eröffnet ist, wenn die Organstellung bei Klageerhebung noch bestand, aber vor der Entscheidung über den Rechtsweg endet. Wer in der Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG einen Wertungswiderspruch hierzu sah und deshalb hoffte, dass das BAG nun auch für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf die Dauer der Organstellung abstellen würde, wird durch das Urteil enttäuscht. Das BAG stellt klar, dass die verfahrensökonomischen Erwägungen, die es zur Änderung der Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG veranlasst haben, für die Anwendung des allgemeinen Kündigungsschutzrechts ohne Bedeutung sind. Zwar lässt das BAG ausdrücklich offen, ob die negative Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auch dann eingreift, wenn die Organstellung bereits vor Zugang der Kündigung geendet hat, die Entscheidungsgründe lassen aber darauf schließen, dass das BAG auch in diesem den gesetzlichen Kündigungsschutz ausschliessen wird. Bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Frage sind Gesellschaften bei der Trennung von Geschäftsführern weiterhin gut beraten, zuerst zu kündigen und erst danach abzuberufen.
Weiterführende Informationen:
Reform des Mutterschutzgesetzes zum 01.01.2018
Aufgrund der am 01.01.2018 in Kraft getretenen Reform des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) müssen Arbeitgeber zahlreiche neue gesetzliche Vorgaben beachten. U. a. wird der persönliche Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes deutlich erweitert: so werden seit Januar 2018 auch Schülerinnen und Studentinnen vom Mutterschutzgesetz erfasst, außerdem Teilnehmerinnen des Bundesfreiwilligendienstes, Entwicklungshelferinnen und Praktikantinnen.
Unser Autor:Rechtsanwalt Dr. Rolf Stagat
Erweiterung des persönlichen Geltungsbereichs auf Geschäftsführerinnen
Die bemerkenswerteste Neuerung hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs ist jedoch, dass das Mutterschutzgesetz seinen Anwendungsbereich nunmehr ausdrücklich auf Beschäftigte i. S. des § 7 Abs. 1 SGB IV erstreckt. Das bedeutet, dass künftig auch GmbH-Geschäftsführerinnen in den Geltungsbereich des Gesetzes einbezogen sind. Der Beschäftigtenbegriff des § 7 Abs. 1 SGB IV ist ein sozialversicherungsrechtlicher Begriff, der dafür maßgeblich ist, ob Personen, die Arbeitsleistungen für ein Unternehmen erbringen, sozialversicherungspflichtig oder selbständig sind und damit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Die Definition des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs einerseits und des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigtenbegriffs andererseits weisen strukturelle Ähnlichkeiten auf, sind aber nicht deckungsgleich. Dies zeigt sich insbesondere an der Personengruppe der GmbH-Geschäftsführer. Sofern sie nicht zugleich mit mindestens 50 % des Stammkapitals als Gesellschafter beteiligt sind, werden sie sozialversicherungsrechtlich als abhängig Beschäftigte behandelt, sind andererseits arbeitsrechtlich aber nicht Arbeitnehmer.
1 Abs. 2 Satz 1 MuSchG schlägt nun als erstes arbeitsrechtliches Schutzgesetz die Brücke zum weiter gefassten Beschäftigtenbegriff des Sozialversicherungsrechts: den arbeitsrechtlichen Schutz des Mutterschutzgesetzes können auch Beschäftigte in Anspruch nehmen, die nicht Arbeitnehmer sind. Das bedeutet nicht nur, dass GmbH-Geschäftsführerinnen unter den Geltungsbereich der Mutterschutzfristen, des Nachtarbeitsverbots und weiterer Schutzmaßnahmen für schwangere Frauen fallen, sondern auch, dass sie den arbeitsrechtlichen Sonderkündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes genießen. Nach § 17 Abs. 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während ihrer Schwangerschaft, bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung grundsätzlich unzulässig.
Verbot von Vorbereitungsmaßnahmen
Hinsichtlich der Kündigung von GmbH-Geschäftsführerinnen ist im Zusammenhang mit dem Sonderkündigungsschutz die Neuregelung des § 17 Abs. 1 Satz 3 MuSchG besonders zu beachten. Danach gilt das Kündigungsverbot gegenüber schwangeren Frauen entsprechend für Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers, die er im Hinblick auf eine Kündigung der Frau trifft (§ 17 Abs. 1 Satz 3 MuSchG). Sofern der Arbeitgeber noch während der Schutzfristen des Mutterschutzgesetzes vorbereitende Maßnahmen für eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses trifft, ist die Kündigung demzufolge gemäß § 134 BGB unwirksam.
Unwirksamkeit von vorbereitenden Gesellschaftsbeschlüssen
Nach der Gesetzesbegründung hatte der Gesetzgeber bei dieser Erweiterung des Kündigungsverbots etwa den Fall im Blick, dass der Arbeitgeber noch während der Schutzfristen einen Ersatz für die zu kündigende Mitarbeiterin sucht. Möglicherweise nicht bedacht hat er dabei, dass die Erstreckung des Kündigungsverbots auf Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers bei der Kündigung von GmbH-Geschäftsführerinnen auch Folgen für die auf gesellschaftsrechtlicher Ebene erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen für eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses hat. Für die Kündigung von Anstellungsverträgen mit den Geschäftsführern einer GmbH sind die Gesellschafter zuständig, die hierüber durch Beschluss entscheiden (sog. Annex-Kompetenz nach § 46 Nr. 5 GmbHG). Beschließen die Gesellschafter noch während der laufenden Schutzfristen des § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, das Anstellungsverhältnis einer GmbH-Geschäftsführerin zu beenden, um die Kündigung nach deren Ablauf auszusprechen, so ist die Kündigung nach der seit 01.01.2018 geltenden Rechtslage unwirksam.
Diese sich nicht auf den ersten Blick erschließende Folge der Neufassung des Mutterschutzgesetzes erfordert auf Seiten der Gesellschaft eine noch sorgfältigere Vorbereitung der Kündigung von Geschäftsführerinnen, die unter das Mutterschutzgesetz fallen. Umgekehrt bietet sie Geschäftsführerinnen nach einer Schwangerschaft neue Möglichkeiten, die Kündigung ihres Dienstvertrages erfolgreich anzugreifen.
Weiterführende Informationen:
Das Beratungsangebot von GKD Rechtsanwälte im Arbeitsrecht und im Gesellschaftsrecht
GKD Rechtsanwälte berät Sie umfassend in allen Fragen des Gesellschafts– und des Arbeitsrechts – insbesondere natürlich auch zu Fragen im Zusammenhang mit dem Mutterschutzgesetz. Wir unterstützen Sie bei der Durchsetzung und der Abwehr von Ansprüchen aus einem Arbeitsvertrag mit Ihren Mitarbeitern. Gerne entwerfen wir für Sie auch einen rechtssicheren Arbeitsvertrag oder passen diesen bei Bedarf an die aktuelle Rechtslage und die neuste Rechtsprechung an.
Für alle Fragen rund um das Arbeitsrecht stehen Ihnen unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht Dr. Rolf Stagat und Thomas Zürcher, LL.M. sowie Herr Rechtsanwalt Dr. Stefan Jäkel und Frau Rechtsanwältin Cornelia Kuhn an unseren Standorten in Konstanz und in Freiburg sehr gerne zur Verfügung.
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