GmbH-Geschäftsführer und Insolvenzantragspflicht – Was gilt denn nun?
Viele GmbH-Geschäftsführer kämpfen mit den Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf ihr Unternehmen und müssen sich Gedanken darüber machen, ob möglicherweise ein Insolvenzgrund vorliegt. Allerdings macht es ihnen der Gesetzgeber nicht leicht. Als wäre es in Zeiten der Pandemie nicht schon schwer genug, sich als Geschäftsführer den von der Rechtsprechung geforderten ständigen Überblick über die Finanzlage der Gesellschaft zu verschaffen, wird es zur zusätzlichen Herausforderung, rechtssicher festzustellen, ob man als Geschäftsführer einer GmbH im Falle der materiellen Insolvenz überhaupt verpflichtet ist, einen Insolvenzantrag zu stellen.
Das Insolvenzrecht verfolgt den Zweck, Gläubiger von beschränkt auf ihr Stammkapital haftenden Gesellschaften zu schützen, die zahlungsunfähig oder überschuldet sind. Um die Teilnehmer des Wirtschaftsverkehrs vor Schäden durch Geschäfte mit solchen Zombie-Gesellschaften zu bewahren, enthält die Insolvenzordnung die Verpflichtung der Geschäftsführer zur Stellung eines Insolvenzantrags im Falle des Vorliegens eines Insolvenzgrundes (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung). Die Verletzung der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht gem. § 15a InsO hat für Geschäftsführer einschneidende Folgen: schließen Dritte mit der insolventen GmbH vor Stellung des Insolvenzantrags noch Verträge ab und werden für ihre Leistungen nicht mehr bezahlt, so haften die Geschäftsführer persönlich und unbeschränkt (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a InsO). Außerdem haften sie nach § 15b InsO persönlich und unbeschränkt für nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung noch vorgenommenen Zahlungen. Andererseits können sich Geschäftsführer gegenüber ihren Gesellschaftern schadensersatzpflichtig machen, wenn sie ohne Not einen Insolvenzantrag stellen, eine Pflicht zur Antragstellung also gar nicht besteht.
In dieser Haftungszwickmühle sehen sich die Geschäftsführer in Zeiten der COVID 19-Pandemie auch noch ständig mit neuen insolvenzrechtlichen Gesetzen konfrontiert, die der Gesetzgeber mit heißer Nadel gestrickt hat: COVInsAG, SanInsFoG, StaRUG, wie behält man als Geschäftsführer den Überblick?
Auf eine kurze Formel gebracht: die Insolvenzantragspflicht besteht, aber mit Einschränkungen und anders als vor Corona!
Im Einzelnen:
Im Februar 2021 hat der Gesetzgeber durch § 1 COVInsAG die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ab 27.03.2020 bis zum 30.09.2020 ausgesetzt. Die Aussetzung galt jedoch nicht, wenn die Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) nicht auf den Folgen der Ausbreitung des Coronavirus beruhte oder wenn keine Aussichten darauf bestanden, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Sofern die GmbH am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war, so wurde vermutet, dass der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der COVID 19-Pandemie beruhte und Aussichten darauf bestanden, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
Aufgrund des wieder anziehenden Infektionsgeschehens wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Herbst 2020 bis 31.12.2020 verlängert – jedoch nur hinsichtlich des Insolvenzgrundes der Überschuldung. Trat ab 01.10.2020 Zahlungsunfähigkeit ein, so waren die Geschäftsführer nun zur Antragstellung verpflichtet.
Zum 01.01.2021 trat das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) in Kraft. Mit diesem Gesetz hat der deutsche Gesetzgeber die europäische Restrukturierungs-Richtlinie umgesetzt und ein Stablisierungs- und Restrukturierungsverfahren eingeführt, das ohne die Eröffnung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens durch Mehrheitsentscheidungen Eingriffe in die Gläubigerrechte ermöglicht. Die maßgebliche Neuerung dieses Gesetzes ist der sogenannte Restrukturierungsplan. Das SanInsFoG bringt mit neuen Prognosezeiträumen für die Insolvenzgründe der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und der Überschuldung (§ 19 InsO) neue Kriterien, die von Geschäftsführern bei der Beurteilung einer möglichen Insolvenzantragspflicht zu beachten sind.
Mit dem SanInsFoG führte der Gesetzgeber zum 01.01.2021 über § 1 Abs. 3 COVInsAG eine weitere Verlängerung der teilweisen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ein. Diese Verlängerung galt zunächst nur für den Monat Januar 2021. Hintergrund war die Absicht des Gesetzgebers, denjenigen Unternehmen, die im Zeitraum vom 01.11. bis 31.12.2020 einen Antrag auf Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme gestellt hatten, Gelegenheit zu geben, die Auszahlung dieser Hilfeleistungen abwarten zu können, ohne zur Insolvenzantragstellung gezwungen zu sein.
Am 15.02.2021 wurde diese Regelung ein weiteres Mal bis 30.04.2021 verlängert. Diese Verlängerung gilt allerdings nur für Geschäftsführer solcher Gesellschaften, die in der Zeit vom 01.11.2020 bis zum 28.02.2021 einen Antrag auf Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID 19-Pandemie gestellt haben oder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb dieses Zeitraums keinen Antrag stellen konnten, aber in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt jedoch nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist (§ 1 Abs. 3 Satz 3 COVInsAG).
Beratungsangebot von GKD Rechtsanwälte
Angesichts dieser kompliziert geregelten und diffizilen rechtlichen Grundlagen für die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags kann jedem GmbH-Geschäftsführer, dessen Unternehmen von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen ist, nur dringend geraten werden, sich über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Pflicht zur Insolvenzantragstellung sorgfältig beraten zu lassen.
Nähere Informationen hierzu und auf Wunsch eingehende Beratung erhalten Sie durch Rechtsanwalt Dr. Stefan Jäkel und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Rolf Stagat an unserem Standort Konstanz.