ArbG Villingen-Schwenningen, Urteil vom 12.10.2022 – 8 Ca 339/21

1. Für die Geltendmachung von Aktienbezugsrechten konzernzugehöriger Arbeitnehmer gegenüber der US-amerikanischen Muttergesellschaft des deutschen Arbeitgebers besteht kein inländischer Gerichtsstand.

2. Ohne ausdrückliche oder konkludente Erklärung der Mitverpflichtung bestehen Aktienbezugsrechte konzernzugehöriger Arbeitnehmer nur gegenüber der einräumenden (ausländischen) Aktiengesellschaft und nicht (auch) gegenüber dem Arbeitgeber.

Dr. Rolf Stagat

Autor: Dr. Rolf Stagat
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Um was ging es?

Das sind die Leitsätze eines Urteils, das wir in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen für eine Mandantin erstritten haben (ArbG Villingen-Schwenningen, Urteil vom 12.10.2022 – 8 Ca 339/21). Ein leitender Mitarbeiter war nach über 20 Jahren aus dem Unternehmen der deutschen Gesellschaft ausgeschieden. Nach seinem Ausscheiden machte er Aktienoptionsrechte geltend, die ihm die US-amerikanische Muttergesellschaft im Verlauf des langjährigen Arbeitsverhältnisses eingeräumt hatte. Unsere Mandantin wies den Anspruch zurück, worauf der ausgeschiedene Mitarbeiter beim Arbeitsgericht die Übereignung von Stückaktien auf Grundlage eines Aktienoptionsplans eingeklagte. Die Vereinbarung zu dem Aktienoptionsplan wie auch sämtlicher Schriftverkehr hierüber erfolgten in englischer Sprache, in der Vereinbarung war das Recht eines Bundesstaates der USA als anwendbares Recht vereinbart. Der Mitarbeiter verklagte sowohl seinen ehemaligen deutschen Arbeitgeber als auch dessen amerikanische Muttergesellschaft gesamtschuldnerisch. Auf unsere Einwendungen hin hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Soweit die Klage gegen den deutschen Arbeitgeber gerichtet war, haben wir darauf hingewiesen, zwar die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts bestehe, die Klage aber unbegründet sei, da die Beklagte zu 1 nicht passivlegitimiert war. Sie habe dem Kläger zu keinem Zeitpunkt Aktienoptionen zugesagt und sei als GmbH deutschen Rechts auch überhaupt nicht in der Lage, dem Kläger Aktienoptionen zu gewähren. Es gebe zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 keine Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche. Die Aktienoptionsansprüche gegenüber der US-amerikanischen Muttergesellschaft, so sie bestünden, seien nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit der deutschen Arbeitgeberin gewesen. Der Vertrag über die Gewährung von Aktienoptionen und das Arbeitsverhältnis stünden rechtlich selbstständig nebeneinander und seien hier mit unterschiedlichen Parteien getroffen.

Gegen die mitverklagte US-amerikanische Muttergesellschaft sei die Klage wegen eines fehlenden inländischen Gerichtsstandes bereits unzulässig. Die Beklagte zu 2 mit Sitz in den USA habe keinen Sitz im Sinne von Art. EWG VO 1215 2012 Artikel 63 Brüssel Ia-VO im Hoheitsgebiet eines Staates der europäischen Union. Ein internationaler Gerichtsstand nach deutschem Recht bestehe nicht. Arbeitsleistungen seien lediglich zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1 ausgetauscht worden.

Wie hat das Gericht entschieden?

Das Arbeitsgericht ist unseren Argumenten in vollem Umfang gefolgt und hat die Klage gegen den deutschen Arbeitgeber als unbegründet, gegen die amerikanische Muttergesellschaft als unzulässig abgewiesen. Der Kläger war nicht Arbeitnehmer der Beklagten zu 2. Die vom Kläger gegenüber der deutschen Gesellschaft geltend gemachten Aktienbezugsrechte sind damit auch nicht Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag. Schließt ein Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von Aktienoptionen nicht mit seinem Arbeitgeber, sondern mit einem anderen Konzernunternehmen ab, so können Ansprüche aus dieser Vereinbarung grundsätzlich nur gegenüber dem vertragsschließenden Konzernunternehmen geltend gemacht werden und werden nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit einer Tochtergesellschaft dieses Konzernunternehmens. Der Vertrag über die Gewährung von Aktienoptionen steht rechtlich selbstständig neben dem Vertrag des Arbeitnehmers mit der Tochtergesellschaft, der regelmäßig nur das Motiv für den Abschluss eines Optionsgewährungsvertrages darstellt.

Erkenntnisse für die Personalpraxis:

Führungskräfte deutscher Unternehmen, die zu einem US-amerikanischen Konzern gehören, erhalten im Rahmen ihrer variablen Vergütungsbestandteile häufig Aktienoptionsrechte der amerikanischen Konzernmutter. Die Ansprüche der Arbeitnehmer hieraus werden typischerweise beim Ausscheiden des Mitarbeiters virulent. Kommt es hierüber zum Streit, ist von maßgeblicher Bedeutung, gegen wen und wo die Ansprüche durchgesetzt werden können. Will sich der deutsche Arbeitgeber keiner eigenen Verpflichtung aus den Aktienoptionen aussetzen, ist es wichtig, darauf zu achten, keine Erklärungen gegenüber dem Arbeitnehmer abzugeben, die darauf schließen lassen, er wolle sich auch selbst für die Optionsrechte einsetzen und übernehme hiermit aus dem Arbeitsverhältnis heraus die Verantwortung.

Zum vollständigen Urteil als PDF gelangen Sie hier.

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